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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kamen sie wie vom Wahnsinn gepeitscht heran. Und die Männchen dicht hinter ihnen.
    Es störte sie überhaupt nicht, daß da Schiffe ihren Weg kreuzten. Schiffe waren weiter nichts als eine Ablenkung, eine zufällige Störung für diese Fische in ihrer wütenden sexuellen Glut. Ein Gebirge hätte sie vielleicht abgelenkt. Aber sie folgten ihrem genetisch vorgegebenen Programm, und sie folgten ihm blindlings und ohne Zögern. Und wenn dies bedeutete, daß sie kopfüber gegen die Bordwand der Queen of Hydros prallten, nun denn. Wenn es hieß, daß sie dabei ein paar Meter über Deck flogen und dann gegen den Fuß eines Masts oder gegen die Tür zum Niedergang prallten, auch gut. Es spielte keine Rolle. Dann sollte es eben so sein. Es befand sich niemand von der Besatzung mehr auf dem Oberdeck, als die fliegende Armada der Hexenfische dort ankam. Lawler hatte ja bereits seine Erfahrung gemacht, was es bedeutete, von einem noch unreifen Exemplar getroffen zu werden. Ein voll ausgewachsenes Tier in der Hitze der Begattungszwänge würde wahrscheinlich zehnmal schneller fliegen als das Jungtier, das ihn getroffen hatte - und ein derartiger Zusammenstoß wäre wohl höchstwahrscheinlich gravierend gewesen. Die streifende Berührung einer dieser Flügelspitzen konnte das Fleisch bis auf den Knochen aufschlitzen. Die scharfen Dornstacheln konnten blutige Wunden hinterlassen.
    Es blieb also keine andere Wahl, als sich zu verstecken und zu warten. Und zu warten... und zu warten. Alle suchten Schutz unter Deck. Über Stunden hin erfüllte das schwirrende Zischen des Hochzeitszuges die Luft, unterbrochen von Wimmern und dem Krachen plötzlicher heftiger Zusammenstöße.
    Schließlich trat wieder Stille ein. Vorsichtig wagten sich Lawler und ein paar andere an Deck.
    Die Luft war wieder frei, der Schwarm war weitergezogen. Aber wo irgendwelche Aufbauten an Deck den Flug der Fische behindert hatten, türmten sich tote und sterbende Hexenfische wie Ungeziefer. So zerschmettert die meisten waren, manche besaßen immer noch genug Lebenskraft und zischten, bissen und versuchten sich zu erheben und sich den Leuten ins Gesicht zu schleudern, die das Deck säuberten. Sie brauchten den ganzen Tag, um wieder klar Schiff zu machen.
    Den Hexenfischen folgte eine dunkle Wolke, die Regen versprach, jedoch statt dessen einen schleimigen Überzug entließ, eine wandernde Masse eines kleinen fliegenden Mikroorganismus, die faulig roch, das Schiff in unzählbaren Massen bedeckte und auf Masten und Segeln und Takelung und jedem Quadratmillimeter des Decks eine glitschige stinkende Schicht hinterließ. Die Reinigung beanspruchte weitere drei Tage.
    Und danach kamen wieder Rammhörner, und Kinverson kam wieder mit seiner Trommel auf Deck gestapft und trieb sie durch sein Getöse in Verwirrung.
    Und nach den Rammhömern...
    Lawler begann in der gewaltigen den Planeten umspannenden Meeresmasse mehr und mehr eine starrsinnige, unversöhnliche und feindliche Kraft zu sehen, die unermüdlich bald dies, bald jenes als Reaktion gegen die Anwesenheit der Reisenden ins Feld schickte. Als löste diese Anwesenheit auf der Weite des Meeres einen Juckreiz aus, und als kratzte sich der Ozean. Manchmal war dieses Kratzen recht intensiv. Lawler fragte sich, ob sie lang genug leben würden, um Grayvard erreichen zu können.
    EIN SEGENSREICHER TAG kam, mit üppigem Regen. Endlich. Er spülte die Reste des schleimigen Mikroorganismus und den Gestank der toten Hexenfische von Deck und erlaubte den Fahrenden, die Trinkwasserbehälter aufzufüllen. Im Gefolge des Regens erschien ein Schwarm von Tauchern und tummelte sich fröhlich und unbekümmert längsseits des Schiffes. Sie sprangen durch den Schaum wie geschmeidige Tänzer, die Touristen in ihrer Heimat willkommen heißen: Doch kaum war der Taucherschwarm davongezogen, da rückte wieder eines dieser Fäkalienbomben schleudernden Koloniewesen heran und beschoß das Schiff erneut mit Brandbomben. Es war beinahe, als hätte der Ozean verspätet erkannt, daß er durch die Entsendung des Regens und dann der Taucher sich den Reisenden gegenüber zu sehr von der freundlichen Seite gezeigt habe, und als wollte er ihnen nun wieder sein wahres Gesicht zeigen.
    Und dann blieb wieder alles einige Zeitlang ruhig. Die Winde wehten günstig, die Geschöpfe der Tiefe nahmen Abstand von dem gewohnten Muster ständiger Angriffe. Die sechs Schiffe zogen weiter ihrem Ziel entgegen. Ihre Heckwasser erstreckten sich lang wie große Straßen

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