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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schön«, sagte er schließlich. »Ich will dich einweihen. Felk hat ausnahmsweise mal recht. Wir fahren nicht nach Grayvard.«
    Die schnodderige Selbstsicherheit, mit der er das sagte, wirkte auf Lawler wie ein plötzlicher Hieb ins Zwerchfell.
    »Heiliger Himmel, Nid! Warum denn nicht?«
    »Weil sie uns in Grayvard nicht haben wollen. Von Anfang nicht haben wollten. Sie haben sich mit der gleichen Scheiße rausgeredet wie alle die anderen Inseln, mit denen ich Kontakt aufgenommen habe, daß sie möglicherweise ein Dutzend Flüchtlinge aufnehmen könnten, allerhöchstens, aber nicht unser gesamtes Kontingent. Ich hab alles in Bewegung gesetzt und sämtliche Fäden gezogen. Was ich nur konnte. Aber die sind nicht von ihrer Entscheidung abgegangen. Und damit saßen wir mit unserm nackten Arsch in der Kälte und hatten keinen Ort, an den wir uns retten können.«
    »Du hast uns also schon seit Beginn der Fahrt belogen? Hast die ganze Zeit geplant gehabt, uns ins Leere Meer zu bringen? Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Und wozu hierher, von allen gottverlassenen Weltgegenden?« Lawler schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast wirklich verdammt viel Chuzpe, Nid!«
    »Ich hab euch nicht alle angelogen. Ich hab dem Gospo Struvin die Wahrheit gesagt. Und Father Quillan.«
    »Gospo, das versteh ich ja noch. Sozusagen. Der war dein Topkapitän. Aber wo kommt Quillan da ins Spiel?«
    »Ooch, ich sprech mit ihm über viele Dinge.«
    »Bist du zum Katholizismus konvertiert? Und der ist dein Beichtvater?«
    »Er ist mein Freund. Er steckt voll von interessanten Ideen.«
    »Ja, das glaub ich gern. Und was für eine besonders interessante Idee hat der fromme Vater Quillan bezüglich unserer Kursänderung geäußert?« Lawler hatte ein Gefühl, als träume er das Ganze nur. »Hat er dir etwa versprochen, daß er durch machtvolles Beten und heilige Beharrlichkeit ein Wunder für uns wirken kann? Hat er dir angeboten, dir im Leeren Meer irgendeine hübsche unbewohnte Insel hervorzuzaubern, auf der wir uns dann vielleicht niederlassen könnten?«
    »Er hat mir gesagt, wir sollten uns in Richtung auf die Fläche über den Wassern aufmachen«, erwiderte Delagard gleichmütig.
    Wieder ein Hieb, diesmal stärker als zuvor. Lawlers Augen wurden groß. Er nahm selbst einen deftigen Schluck von Delagards Branntwein und wartete, bis sich dessen Wirkung bemerkbar machte. Delagard schaute ihm von der anderen Seite des Tisches her geduldig, aber wachsam an und war womöglich sogar ein wenig amüsiert.
    »Die Fläche über den Wassern«, sagte Lawler, als er sich wieder gefestigt genug fühlte, um zu sprechen. »Das hast du doch gesagt... über den Wassern?«
    »Genau richtig, Doc.«
    »Und wieso, wenn du mir das erklären könntest, findet dieser Father Quillan es eine so gute Idee, daß wir dorthin fahren sollen?«
    »Weil er weiß, daß ich schon immer dorthin gehen wollte.«
    Lawler rückte. Er fühlte, wie ihn die heitere Gelassenheit der äußersten Verzweiflung überkam. Noch ein Schluck von Delagards Brandy, das erschien ihm jetzt als recht erwünscht. »Ja sicher, Father Quillan glaubt an die Segensträchtigkeit irrationaler Eingebungen. Und da uns ja sowieso keine andere Zuflucht bleibt, kannst du selbstverständlich ebensogut unser ganzes beschissenes verlorenes Häuflein um den halben Globus und an den verrücktesten, fremdartigsten und am weitesten entfernten Ort von Hydros schippern, von dem wir absolut ganz und gar nichts wissen, außer der Tatsache, daß noch nicht mal die Gillies tollkühn genug sind, sich auch nur in die Nähe zu begeben, ja?«
    »So ist es.« Delagard ließ den sarkastischen Ton mit einem leisen Lächeln an sich abgleiten.
    »Der Father Quillan erteilt wundervollen Rat. Darum war er wohl auch solch ein grandioser Erfolg als Kleriker.«
    Mit verwirrender Ruhe sprach Delagard einfach weiter. »Ich habe dich einmal gefragt, ob du dich noch an die Geschichten erinnerst, die Jolly früher immer darüber erzählt hat.«
    »Märchen, Seemannsgarn. Ja.«
    »Sowas ähnliches hast du damals auch gesagt. Aber du erinnerst dich dran?«
    »Also, mal sehen. Jolly behauptete, er habe die ganze Leere See durchquert, ganz allein, und sei dort auf die Fläche gestoßen, die seiner Beschreibung nach eine riesige Insel war, viel, viel größer als irgendeine von den Gillie-Inseln. Ein Ort der Wärme und Üppigkeit, an dem fremdartige hochwachsende Pflanzen Früchte tragen, wo es Teiche mit frischem Wasser gibt und die

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