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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Funkeln des ›Kreuzes‹, bis es ihn ganz erfüllte. Wie friedvoll es jetzt hier ist, dachte er. Wie still.

    I woke, and we were sailing on
    As in a gentle weather:
    ‘Twas night, calm night, the Moon was high;
    The dead men stood together. { * }
    »Val? Ich bin’s.« Er blickte auf. Ein Schatten schob sich zwischen sein Gesicht und die Sterne. Sundira stand dicht bei ihm.
    »Darf ich mich zu dir setzen?« fragte sie.
    »Wenn du willst.«
    Sie ließ sich neben ihm nieder. »Ich hab dich beim Essen vermißt. Wieso bist du nicht gekommen? Du mußt was essen.«
    »Ich war nicht hungrig. Aber ihr, ihr eßt noch immer, obwohl ihr verwandelt worden seid?«
    »Selbstverständlich. Es ist eine andere Art von Veränderung.«
    »Ja, wahrscheinlich. Woher sollte ich das wissen?«
    »Ja, wie könntest du das auch wissen.« Sie strich sacht mit der Hand über seinen Arm. Und diesmal zuckte er nicht zurück. »Es hat sich mit uns nicht so viel verändert, wie du vielleicht meinst. Ich lieb dich immer noch, Val. Ich hab dir gesagt, daß ich dich weiter lieben würde, und es ist wahr.«
    Er nickte. Es gab nichts, was er hätte sagen können.
    Liebte auch er sie noch? War so etwas überhaupt auch nur vorstellbar?
    Er ließ den Arm um ihre Schulter gleiten. Die Haut war weich und kühl und so vertraut. So angenehm. Sie kuschelte sich an ihn. Sie hätten die einzigen Menschen auf der Welt sein können. Und sie fühlte sich für Lawler noch immer sehr menschlich an. Er beugte sich zu ihr und küßte sie sacht in die Kuhle zwischen Hals und Schulter. Sie kicherte.
    »Val!« sagte sie. »Ach, Val...«
    Das war alles, nur sein Name. Was dachte sie? Was hatte sie ungesagt gelassen? Daß sie sich wünschte, er wäre mit ihr gemeinsam zur Insel gegangen? Daß sie noch immer hoffte, er werde es tun? Daß sie betete, er möge zu Delagard gehen und ihn bitten, das Schiff zu wenden und zur Insel zurückzusegeln, auf daß auch er die Verwandlung erleben könne?
    Und hätte ich nicht vielleicht doch mit ihr gehen sollen? War es falsch, daß ich mich verweigert habe?
    Einen Augenblick lang sah er sich selbst im Innern, als Teil der Maschine, als Teil des ALLS - endlich preisgegeben, aufgegeben, überantwortet und tanzend mit allem übrigen.
    Nein. Nein. Nein und Nein! Ich bin, der ich bin. Und ich habe getan, was ich tat, weil ich bin, der ich bin!
    Er lehnte sich wieder zurück, und Sundira kuschelte sich an ihn. Er blickte wieder zu den Sternen auf. Und wieder eine neue Vision überkam ihn: Die ALTE ERDE von einst, das Verlorene Paradies.
    Seine große romantische Träumerei von dem alten zerstörten Planeten, diesem blauschimmernden Juwel, der verlorenen, vergewaltigten, vernichteten Mutterwelt der menschlichen Rasse, erfüllte seine Seele aufs neue. Er sah sie, wie er sich wünschte, daß sie gewesen sei: eine friedvolle harmonische Welt, wimmelnd von liebevollen friedlichen Menschen, ein Heiligtum und eine Zufluchtsstätte, die perfekte geschlossene Einheit. Aber war es auf der ALTEN ERDE wirklich jemals so gewesen? Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, dachte er. Nein, höchstwahrscheinlich nicht. Es war ein Planet wie jeder andere gewesen, und Böses und Übles kamen auch dort reichlich vor, und Unzulänglichkeit und Fehlschläge... Und außerdem und überhaupt war dieser Planet aus dem Universum verschwunden. Ausgelöscht durch einen bösen Unstern, ein übles Verhängnis.
    Und da sind wir jetzt. Da liegen wir. Requiescant in pace! Friede ihrem Staub!
    Lawler blinzelte in die Nacht hinauf. Er stellte sich vor, er schaue zu der Stelle im Kosmos, an der sich die Mutterwelt einst befunden hatte. Aber er wußte ja, daß es für die im Universum verstreuten Nachkommen der überlebenden Erdenmenschen keine Hoffnung gab, jemals die verlorene Heimat der Vorväter wieder in Besitz zu nehmen.
    Nein, sie mußten weiterziehen, mußten in diesem gewaltigen Universum eine neue Heimstatt finden, in das sie als Flüchtlinge und Exilanten geworfen worden waren. Sie mußten sich ändern, sich transformieren. Die Metamorphose wagen. Die Transfiguration!
    Abrupt richtete er sich auf, als hätte ihn ein Blitzstrahl gestreift. Auf einmal war ihm alles so erstaunlich klar. Die Menschen, die er gekannt hatte und die ihr alltägliches kleines Leben gelebt hatten, als ob es nie so etwas wie die ALTE ERDE gegeben hätte, hatten recht gehabt damit, und er, der sich in hoffnungslose Träumereien verstrickt hatte, in Dinge, die einmal vor langer Zeit und in weiter

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