Über den Wassern
klar und gelassen, völlig ohne das gewohnte fiebrige Funkeln. Wer oder was immer dieses Geschöpf da war, es war etwas anderes als der Nid Delagard, den Lawler über so viele Jahre hin gekannt hatte. Seine Dämonen waren exorziert und gebannt. Er hatte eine tiefgreifende Verwandlung erfahren - vielleicht tatsächlich so etwas wie eine Erlösung und Befreiung. All sein Pläneschmieden und Ränkespiel war nun beendet. Und seine Seele schien Ruhe gefunden zu haben. Und so wirkten auch die übrigen: sie hatten ihren Frieden, waren im Frieden. Sie hatten sich dem Ding da, diesem ›Antlitz‹ überantwortet, hatten ihm ihre Individualität, ihr Selbst preisgegeben, etwas für Lawler geradezu Ungeheuerliches und Unvorstellbares; aber er mußte sich andererseits zugeben, daß die Rückkehrer anscheinend so etwas wie ihre Glückseligkeit gefunden hatten.
Mit einer Stimme, die leicht wie Luft klang, sagte die Quillan-Gestalt: »Ehe wir segeln, eine letzte Chance. Möchtet ihr nicht vielleicht doch auf die Insel? Doktor? Sundira?«
»Du weißt doch, daß wir nicht wollen«, sagte Lawler.
»Das liegt bei euch selbst. Aber wenn ihr erst einmal wieder zurück in eurem heimatlichen Meer seid, wird es nicht mehr ganz so leicht für euch sein, hierher zurückzukommen, falls ihr eure Ansicht ändert.«
»Damit kann ich leben.«
»Sundira?« fragte Quillan.
»Ich auch.«
Die Priesterhülle lächelte betrübt. »Die Entscheidung liegt bei euch. Aber ich wünschte, ich könnte euch begreiflich machen, was ihr für einen Fehler begeht. Begreift ihr eigentlich, warum wir auf der ganzen Seereise so unablässig angegriffen wurden? Warum die Rammhörner kamen und die Napfschnecke, die Hexenfische und alles übrige? Doch nicht, weil das bösartige Geschöpfe wären. Es gibt auf Hydros keine bösen Lebewesen. Sie haben nichts weiter versucht als eine Verletzung ihrer Welt zu heilen, mehr nicht.«
»Die Welt heilen?« fragte Lawler.
»Ja. Sie säubern. Sie von einer Verunreinigung befreien. Für sie - und für jede andere Lebensform auf Hydros - sind die hier hausenden Erdlinge Eindringlinge, Fremdkörper, weil sie nicht Teil der Harmonie sind, die das ›Antlitz‹ darstellt. Für sie sind wir Abkömmlinge von der Erde so etwas wie Viren oder Bakterien, die in einen gesunden Organismus eingedrungen sind. Die Angriffe gegen uns waren nichts weiter als der Versuch, den Körper von Krankheitserregern zu befreien.«
»Oder wie wenn man Sand aus dem Getriebe einer Maschine entfernt«, sagte Delagard.
Lawler wandte sich ab. Er merkte, wie in ihm Zorn und Ekel heraufquollen.
Sundira sagte leise zu ihm: »Sie sind wirklich schrecklich. Wie Gespenster. Nein, schlimmer: wie Zombies! Wir hatten Glück, daß wir genug Kraft hatten, uns dem zu widersetzen.«
»Hatten wir wirklich Glück?« fragte Lawler.
Ihre Augen weiteten sich. »Was meinst du damit?«
»Ich bin mir nicht sicher. Sie sehen so zufrieden aus, Sundira. Vielleicht sind sie ja in was anderes verwandelt worden, etwas Fremdes, aber wenigstens sieht es so aus, als hätten sie ihren Frieden.«
Ihre Nasenflügel blähten sich verächtlich. »Du sehnst dich nach diesem Frieden? Na, dann geh doch! Geh rüber! Du brauchst bloß ein kleines Stück weit zu schwimmen.«
»Aber nein. Nein!«
»Bist du sicher, Val?«
»Komm zu mir. Halt mich fest.«
»Ach, Val... Val...«
»Ich liebe dich.«
»Und ich liebe dich, Val.« Sie umarmten und küßten sich, als wären die Rückkehrer um sie herum gar nicht da. Dicht an seinem Ohr flüsterte sie: »Ich geh da nicht rüber, wenn du nicht auch gehst.«
»Ich werde nicht gehen, hab keine Angst.«
»Aber wenn doch, dann gehen wir gemeinsam.«
»Was?«
»Ja glaubst du denn, ich will die einzige auf diesem Schiff sein, die noch ein real existierender Mensch ist, und mit zehn Zombies, zehn lebenden Toten fahren? Das ist ein echtes Paktangebot, Val: Entweder wir gehen gemeinsam, oder ganz und gar nicht.«
»Wir gehen nicht.«
»Aber wenn...«
»Dann gehen wir gemeinsam«, sagte Lawler. »Aber wir werden nicht gehen.«
ALS HÄTTE SICH nichts von außergewöhnlicher Bedeutung vor und auf der Insel ereignet, machte sich die Besatzung der Queen of Hydros daran, die Vorbereitungen zur Rückreise zu treffen. Kinverson legte seine Netze aus, und sie füllten sich prompt mit Fischen. Gharkid schob sich gemächlich durch das hüfthohe Wasser und sammelte verwertbare Algen ein. Neyana, Pilya und Lis zogen zwischen dem Schiff und der Insel hin und
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