Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
bevor es aufhörte, so leicht zu sein?
    AM ERSTEN TAG, während sie noch durch die Bucht segelten, hatte Lawler sich dabei ertappt, daß er immer wieder nach achtern wanderte und zur Insel Sorve zurückblickte, bis sie immer mehr entschwand und unsichtbar wurde.
    Während dieser ersten Stunden der Reise hatte Sorve sich noch hinter ihm erhoben wie ein langgestreckter gelbbrauner Hügel. Es schien immer noch real und greifbar geblieben. Er hatte den vertrauten Mittelkamm und die sich breitenden Schenkel ausmachen können, die grauen Spitzen der Vaarghs, das Kraftwerk, die verstreuten Gebäude der Delagard-Werft. Er bildete sich sogar ein, er könne die Reihen düsterer Gillies ausmachen, die sich zum Strand begeben hatten, um die Abfahrt der sechs Schiffe zu überwachen.
    Dann nahm das Wasser eine neue Färbung an; das leuchtende Dunkelgrün der seichten Bucht wurde von der Farbe des Ozeans abgelöst, die hier ein dunkles Blau war, mit Grau vermischt. Hier war wirklich der Punkt der Trennung vom Land, wenn die Bucht hinter einem lag. Lawler empfand dies, als wäre eine Falltür unter ihm aufgegangen und er ohne Rettungsleine ins Bodenlose gestürzt worden. Sobald der künstliche Meeresboden hinter ihnen zurückgeblieben war, begann Sorve rapide zu schrumpfen, wurde immer weniger, schließlich nur mehr eine dunkle Linie überm Horizont, und dann war es verschwunden.
    Weiter draußen würde der Ozean wieder andere Färbungen aufweisen, je nach den Mikroorganismen, die in ihm lebten, je nach dem Klimaumfeld, je nach den Stoffen, die aus der Tiefe heraufgewälzt wurden. Die einzelnen Meeresgebiete des Großozeans waren nach der in ihnen vorherrschenden Färbung benannt worden: das Rote Meer, das Gelbe, Azurblaue, Schwarze Meer. Fürchten mußte man das ‚Leere Meer’, eine Seegegend wie fahlblaues Eis, eine Wasserödnis. Gewaltige Teile des Ozeans waren von dieser Art, und es gab beinahe nichts Lebendiges in ihnen. Allerdings führte der geplante Kurs der Expedition nirgendwo in die Nähe eines dieser Leeren Meere.
    Die Flottille zog in enggeschlossener Keilformation dahin, und es war beabsichtigt, dies Tag und Nacht durchzuhalten. Jedes Schiff des Konvois stand unter dem Kommando eines der Fährschiffkapitäne Delagards, mit einer Ausnahme: Das Schiff mit den elf Frauen der ‚Schwesternschaft’ wurde von ihnen selber gesteuert. Delagard hatte innen einen seiner Männer angeboten, doch sie hatten, wie er es erwartet hatte, ein Männerkommando abgelehnt. »Ein Boot zu segeln, das ist doch kein Problem«, wies ihn Schwester Halla zurecht. »Wir werden einfach darauf achten, wie ihr das macht, und genau das gleiche tun.«
    Die Queen of Hydros, Delagards Flaggschiff mit Gospo Struvin als Kapitän, lag an der Spitze der Keilformation. Danach folgten die Black Sea Star unter Poitin Stayvol und die Sorve Goddess unter Bamber Cadrell; dahinter die restlichen drei Schiffe in breiterer Linie, die übrigen Schiffe, in der Mitte die Hydroskreuz mit den Konventschwestern, flankiert von den Three Moons unter Martin Yanez und der Golden Sun mit Käptn Damis Sawtelle.
    Nun war nichts mehr zu sehen als der Himmel und die See, der weite flache Horizont und die sanfte Dünung des Ozeans. Über Lawler senkte sich ein merkwürdiges friedliches Gefühl; er fand es erstaunlich leicht, in die überdimensionale Weite einzutauchen und sich darin zu verlieren. Die See ging ruhig, und es sah so aus, als werde sie in alle Ewigkeit so bleiben. Sorve war nicht mehr sichtbar, gewiß, Sorve war fort. Doch was machte das? Sorve war nicht mehr von Bedeutung.
    Er ging auf dem Deck nach vorn und genoß dabei den Wind in seinem Rücken, der das Schiff voranschob und ihn Augenblick um Augenblick von allem, was er je gekannt hatte, immer weiter entfernte.
    Father Quillan stand beim Fockmast. Der Geistliche trug eine dunkelgraue Hülle aus irgendeinem ungewöhnlichen Webstoff, der weich und luftig aussah, ein Kleidungsstück, das er von einer fremden Welt mitgebracht haben mußte. Auf Hydros gab es derartige Stoffe nicht.
    Lawler blieb bei ihm stehen. Quillan deutete mit weit ausholender Armbewegung über das Wasser. Das Meer sah aus wie ein gewaltiger, wild funkelnder blauer Edelstein, der sich überallhin ausdehnte, als wäre der ganze Planet eine einzige glatte schimmernde Kugel. »Wenn man sich das so betrachtet, käme man doch nie auf den Gedanken, daß es in der Welt noch etwas anderes geben könnte als Wasser, nicht wahr?«
    »Hier

Weitere Kostenlose Bücher