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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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von Khuviar, bitte. Der Branntwein von Sorve ist die reinste Pisse.« Aus einem Schrank holte Lis ein anderes Gefäß, ein länglich gerundetes, dunkel schimmerndes. Struvin fuhr mit der Hand zärtlich über die Flasche und grinste genüßlich. »Khuviar, genau! Auf der Insel verstehen sie wirklich was von Schnaps. Und vom Wein. War da mal einer unter euch bei denen? Nein, ich merk schon, ihr habt keine Ahnung. Die trinken dort den ganzen Tag und die ganze Nacht. Es sind die glücklichsten Leute auf dem ganzen Planeten.«
    »Ich war einmal dort«, sagte Kinverson. »Sie waren die ganze Zeit über besoffen. Sie taten die ganze Zeit nichts weiter als saufen und kotzen, und dann soffen sie weiter.«
    »Jaaa, aber was die trinken«, sagte Struvin. »Aaach, was für köstliches Gesöff!«
    »Und wer macht bei denen die Arbeit, wie kommen sie weiter«, fragte Lawler, »wenn sie nie nüchtern sind? Wer fängt den Fisch? Wer bessert die Netze aus?«
    »Niemand«, sagte Struvin. »Es ist ein erbärmliches Drecksnest. Sie werden manchmal grad soweit wieder nüchtern, daß sie in die Bucht rausfahren können, um sich ‘ne Ladung Beerenkraut zu holen, und das vergären sie dann zu Wein oder destillieren es zur Schnaps... und dann sind sie wieder betrunken. Ihr würdet es nicht glauben, wie die leben. Am Leib tragen sie nur Lumpen. Und sie hausen in Tanghütten, genau wie die Gillies. In ihrer Zisterne ist brackiges Wasser. Es ist ein scheußlich widerlicher Ort. Aber wer hat behauptet, daß alle Inseln gleich sein müßten? Keine Insel ist wie die andere. Ganz und gar nicht. So hab ich es jedenfalls immer gesehen: Jede Insel war ‘ne Sache für sich und wollte gar nicht sein wie andere. Und auf Khuviar, da verstanden sie halt nun mal was vom Saufen. Da, Tharp, du sagst, du hast Durst? Na, dann nimm einen Schluck von meinem köstlichen Khuviar-Brandy. Ich lad dich ein. Trink!«
    »Ich mag aber keinen Brandy«, maulte Tharp, »Und das weißt du verdammt gut, Gospo. Und außerdem macht das Gesöff dich bloß noch durstiger, klar? Es trocknet dir die ganze Haut drinnen im Maul aus. Stimmt’s, Doc? Da drüber solltest du dir mal klarwerden.« Er stieß einen explosiven Seufzer aus. »Ach, was soll’s... also her mit dem rohen Fisch!«
    Lawler reichte ihm die Schüssel. Tharp spießte sich einen Brocken mit der Gabel auf, drehte es prüfend hin und her, als habe er nie zuvor ein Stück von einem ungekochten Fisch gesehen, und biß vorsichtig ein wenig davon ab. Er wälzte es mit der Zunge im Mund herum, dann schluckte er und überlegte. Und dann nahm er ein zweites Stück.
    »He, Leute«, sagte er. »Das geht ja. Das ist in Ordnung. Das schmeckt ja gar nicht mal schlecht.«
    »Arschloch«, sagte Kinverson noch einmal. Diesmal aber lächelte er dabei.
    NACH DEM ESSEN begaben sich alle an Deck zur Wachablösung. Henders, Golghoz und Delagard, die in der Takelung herumgeklettert waren, kamen herab, und Martello, Pilya Braun und Kinverson übernahmen ihre Positionen.
    Das Strahlen des Kreuzes teilte den schwarzen Himmel in vier Quadranten. Die See war dermaßen glatt, daß man die Spiegelung als weiße starre Feuerlinie auf dem Wasser ruhen sah, die sich bis in rätselhafte Fernen erstreckte, wo sie verschwamm und sich auflöste. Lawler stand an der Reling und blickte auf die schwachen zuckenden Lichtpunkte zurück, welche die Positionen der anderen fünf Schiffe markierten, die gleichmäßig in ruhiger Keilformation hinter ihnen hergezogen kamen. Da war Sorve, die gesamte kleine Inselgemeinschaft, zusammengepfercht in die paar Schiffe. Die Thalheims und Tanaminds, die Katzins, die Yanez’ und Sweyners und Sawtelles und der Rest, die vertrauten, die alten, alten Namen. Nach Einbruch der Nacht setzten alle Schiffe Positionslichter an die Reling, hohe schmauchende Fackeln aus getrockneten Algen, die ein rauchiges orangerotes Licht gaben. Delagard war von geradezu fanatischer Sorge beherrscht, daß die Flottille beisammenbleiben müsse, daß kein Schiff je aus der Formation ausbreche. Alle verfügten über eine eigene Funkstelle, die miteinander die ganze Nacht hindurch in Kontakt blieben, damit kein Schiff sich verliere.
    »Leichter Wind kommt auf!« rief jemand. »Fockhals los!«
    Lawler bewunderte, mit welcher Kunstfertigkeit die Segel in den Wind gesetzt wurden. Er wünschte sich, daß er ein wenig mehr davon begriffe. Segeln, das erschien ihm als etwas beinahe Zauberisches, als ein geheimnisvolles, verwirrendes Mysterium. Auf

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