Über den Wassern
lassen würden. Er warf noch einen letzten Blick auf die Flutwelle, dann rannte er schnell zum Einstiegsloch. Drunten waren alle, außer Henders und Delagard, im Kajütsniedergang versammelt und machten sich auf den bevorstehenden Zusammenprall bereit. Kinverson knallte den Lukendeckel hinter Lawler zu und sicherte ihn mit Krampen.
Aus der Tiefe des Schiffs, irgendwo auf das Heck zu, drang ein eigenartiges mahlendes Knirschen.
»Das Magnetron läuft an«, sagte Sundira Thane.
Lawler wandte sich ihr zu. »Du hast so was schon mal erlebt?«
»Zu oft. Aber diesmal wird es nicht arg sein.«
Das mahlende Geräusch wurde lauter. Das ‚Magnetron’ schickte einen Kraftstrahl nach unten, der gegen den schmelzflüssigen Eisenball im Kern des Planeten drückte und so eine Hebelwirkung bekam, durch die das Schiff ein, zwei Meter aus dem Wasser gehoben wurde, oder auch etwas mehr, wenn nötig, gerade ausreichend, um es über den stärksten Anprall der Flutwelle hinwegzutragen. Diese Magnetfeldverschiebung war die einzige Supertechnologie, welche die Menschen von anderen Welten der Galaxis mit nach Hydros hatten bringen können. Dann Henders hatte einmal gesagt, ein derart starker Apparat wie das Magnetron müsse doch weit mehr Nutzanwendungsmöglichkeiten für die Kolonisten haben als nur die, Delagards Fährboote in stürmischer See vor dem Kentern zu bewahren, und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Henders damit recht; doch Delagard hielt die Magnetrons unter Schloß und Riegel auf seinen Schiffen. Sie waren sein Privateigentum, die Kronjuwelen des Delagardischen See-Imperiums und der Grundstock für den Wohlstand seiner Familie.
»Sind wir schon hoch?« fragte Nikiaus ängstlich.
»Wenn das Mahlen aufhört«, antwortete Neyana Golghoz. »Da. Na also.«
Alles war still.
Das Schiff schwebte direkt über dem Kamm der Flutwelle.
Aber nur kurz: So stark das Magnetron auch war, es hatte seine Grenzen. Doch ein Moment reichte durchaus. Die Flutwelle strich unter ihnen durch, und das Schiff hob sich sanft über sie hinweg und glitt auf der Rückseite sacht in das Wellental dahinter. Beim Wiedereintritt ins Wasser schwankte und zitterte und bebte das Schiff. Die Wucht des Aufsetzens war größer, als Lawler erwartet hatte, und er mußte sich anstrengen, um nicht zu Boden geworfen zu werden.
Und dann war es vorbei. Sie schwammen wieder auf ebenem Kiel.
Delagard erschien im Luk, das zum Frachtdeck führte und grinste fröhlich und selbstgefällig. Dann Henders kam gleich danach.
»So, das war’s, Leute«, verkündete der Reeder. »Alles zurück auf die Posten. Die Fahrt geht weiter.«
Die See hinter der Flutwelle war mäßig aufgewühlt und schaukelte wie eine Wiege. Als Lawler wieder an Deck war, sah er, wie die Welle nach Südost abzog, eine immer kleiner werdende Falte quer durch die Weite der schäumenden See. Er erblickte die gelbe Flagge der Golden Sun, die rote der Three Moons, die grün-schwarze der Sorve Goddess. Weiter in der Ferne konnte er die anderen zwei Schiffe ausmachen, sicher und anscheinend unbeschädigt.
»Nun, das war ja gar nicht so schlimm«, sagte er zu Dag Tharp, der direkt nach ihm an Deck gestiegen war.
»Wart’s ab«, sagte Tharp. »Wart es nur ab.«
4
UND WIEDER WANDELTE sich die See. Ein rascher kalter Meeresstrom von Süden her durchzog sie hier und mähte eine Schneise durch die Gelbalgenfelder. Anfangs war da nur ein schmaler Streifen klaren Wassers durch die Algengischt sichtbar, dann wurde er breiter, und als der Konvoi den Meeresstrom selbst erreicht hatte, war ringsum wieder nur reines, klarblaues Wasser.
Kinverson fragte Lawler, ob er glaube, daß die Meeresbewohner hier frei von diesen pflanzlichen Parasiten seien. Die Fahrenden hatten seit Tagen keinen frischen Fisch mehr geschmeckt. »Holt halt was rauf«, erwiderte Lawler, »dann werden wir es uns anschauen. Aber seid vorsichtig, wenn ihr es an Deck bringt.«
Doch es gab keinen Fang, mit dem Kinverson hätte vorsichtig sein müssen. Die Netze kamen leer wieder herauf, und nichts biß an seinen Haken an. Und doch lebten in diesen Wassern Fische, massenhaft sogar. Doch sie hielten sich vom Schiff fern. Ab und zu sah man ganze Schwärme hastig davonschießen. Die übrigen Schiffe berichteten das gleiche. Man hätte genauso gut durch Totwasser segeln können.
Bei den Mahlzeiten erhob sich Murren in der Messe.
»Ich kann kein’ Fisch nich kochen, wenn keiner einen fängt«, sagte Lis Nikiaus. »Beschwert euch bei
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