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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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war jetzt besser vorbereitet als beim letzten Mal und schob seine jüngere Kollegin demonstrativ vor sich her in die Richtung, die ihnen gewiesen worden war.
    Sie betraten eine Küche, in der zwei Frauen und ein Mann saßen. Die eine Frau war die Gastgeberin, die zweite war mit dem Mann gekommen. Dieser hatte sein Smokingjackett hinter sich auf einen Stuhl gehängt und seine Fliege aufgeknotet. Sein Hemd war blutig. Alle drei hatten ein Weinglas vor sich.
    Wallander schloß die Tür hinter sich. Der Gastgeber hatte sich voller Feingefühl zurückgezogen. Wallander stellte sich und Ann-Britt Höglund vor. Beiden wurde ein Stuhl angeboten, und beide lehnten mit einer Handbewegung das Glas Wein ab, das die Gastgeberin ihnen automatisch anbot, und setzten sich.
    »Ich habe nicht viele Fragen. Es geht um das, was wir Polizeibeamten Kontrollfragen nennen«, begann er leise, als wäre das, was er zu sagen hatte, weder schwer verständlich noch langwierig. »Darf ich fragen, warum du Blut am Hemd hast? Ich schlage vor, daß wir du zueinander sagen. Wie heißt du übrigens?« fuhr er fort.
    »Rick Blixen«, erwiderte der Angesprochene schnell. »Ich habe nichts dagegen, daß wir uns duzen. Das Blut stammt von der Doppel… von einer der ermordeten Frauen. Wir haben versucht, etwas zu unternehmen, doch es war hoffnungslos. Man muß es aber versuchen, so empfindet man es wenigstens in einem solchen Augenblick. Das kann ich jetzt so sagen…«
    »Ich glaube, ich habe nur eine Frage«, unterbrach ihn Wallander und rieb sich die Nasenwurzel, als dächte er nach. »Eine einzige Frage. Ich möchte dich bitten zu beschreiben, in welcher Reihenfolge die Schüsse fielen, wie viele Schuß abgefeuert wurden und welchen Waffentyps sich die Täter bedienten.«
    »Ist es wahr, daß Sie die Täter gefaßt haben?« meldete sich jetzt die Gastgeberin mit einem Enthusiasmus, der in Wallander die Phantasievorstellung weckte, sie würde sich im nächsten Augenblick auf ein Telefon stürzen.
    »Ja, das ist wahr, doch dazu kommen wir später«, sagte Wallander und hielt abwehrend eine Hand hoch. »Aber wenn wir jetzt zu meiner Frage zurückkommen könnten?«
    »Es wurden sechs Schuß abgegeben«, begann Blixen konzentriert und faßte sich an die Stirn, als überlegte er. »Der Mann an der Tür gab zwei Schuß ab, der Mann, der mitten im Zimmer stand, vier Schuß, wovon der erste an die Decke gefeuert wurde. Alle Schüsse trafen. Die Waffen waren Gewehre des Typs Pump Action, Kaliber zwölf, würde ich zu behaupten wagen.«
    »Würdest du ihre Waffe wiedererkennen, wenn du sie vor dir hättest?« fragte Wallander etwas müde, als handelte es sich um eine höchst hypothetische Frage.
    »Ja, den Waffentyp, die Farbe des Kolbens und solche Dinge, ja, wahrscheinlich«, erwiderte Blixen zögernd.
    Wallander gab Ann-Britt Höglund mit einem Kopfnicken ein Zeichen. Sie erhob sich und bat Blixen, mit ihr hinauszugehen, um sich etwas anzusehen.
    »Wir können dies jetzt abschließen«, sagte Wallander. »Sollten wir noch mehr wissen wollen, muß das bei einer späteren Gelegenheit geschehen, doch im Augenblick können wir die Polizeiarbeit in Ihrem Haus sicher beenden. Mir ist klar, daß es für Sie sehr unangenehm ist.«
    »Ist es wahr, daß Sie die Täter gefaßt haben?« fragte die Gastgeberin nochmals. Sie machte ein Gesicht, als würde sie gleich explodieren, ob es nun stimmte oder nicht.
    »Ja«, erwiderte Wallander. »Alles deutet darauf hin. Doch das bedeutet nicht, daß die Polizeiarbeit damit beendet ist. Wir haben zwei Mordopfer und zwei Mörder, und insoweit ist alles klar. Doch dann bleibt noch die Frage nach dem Warum. Damit auch die Frage, ob vielleicht noch andere als die Männer, die wir festgenommen haben, beteiligt gewesen sein können. Aus diesem Grund möchte ich Sie alle bitten, höchst vorsichtig zu sein, wenn unsere hochgeehrten Vertreter der Massenmedien von sich hören lassen. Aber das ist für Sie ohnehin eine Selbstverständlichkeit, wie ich annehme.«
    Es wurde vollkommen still im Raum. Wallander fiel auf, daß er sich auf irgendeine Weise schon wieder danebenbenommen hatte, konnte aber nicht verstehen, warum. Es kam ihm nicht besonders wahrscheinlich vor, daß die Menschen, die er jetzt vor sich hatte, ein übertriebenes Verständnis für das unerläßliche Recht der freien Presse haben könnten, das Elend jedes einzelnen in der Öffentlichkeit breitzutreten. Die beiden Frauen vor ihm immerhin waren Menschen, die mit Ja für den

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