Über jeden Verdacht erhaben
sicher?«
»Natürlich.«
»Und wenn wir uns dann den beiden Tätern zuwenden, was können Sie über die sagen?«
»Männer, vermutlich Ausländer, gut gekleidet. Sie trugen sogar Anzug und Krawatte. Handschuhe an den Händen. Maskiert, trugen solche Wollkapuzen mit Sehschlitzen. Gute Schützen… Vielleicht zwischen dreißig und vierzig Jahren, aber das läßt sich nur schwer sagen. Es ist schnell gegangen, sehr schnell.«
»Wie schnell?«
»Nun ja… es sind natürlich solche Augenblicke, die man als Ewigkeiten auffaßt. Aber so ist es ja selten… ich würde sagen, höchstens fünfzehn Sekunden seit dem Betreten des Raums, bis sie ihn verließen.«
Ann-Britt Höglund hatte inzwischen offenbar vier Schrotpatronen sowie einen Zeitungsausschnitt gefunden, die sie vor Wallander vielsagend hochhielt.
»Ja, so ist es…«, bestätigte Wallander. »Wie viele Schüsse sind hier drinnen abgefeuert worden?«
»Es waren sechs Schüsse. Einer an die Decke, zwei auf Gräfin Wachtmeister-Hamilton und dann drei auf Estelle Hamilton.«
»Müßten wir hier dann im Zimmer nicht sechs leere Hülsen … also sechs leere Schrotpatronen haben?«
»Nein. Das Interessante am Verhalten der Schützen war nämlich, daß sie nach ihrem letzten Schuß nicht repetierten.«
»Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen.«
»Ja aber… das ist doch selbstverständlich.«
Der Gastgeber machte ein resigniert fragendes Gesicht, doch Wallander schüttelte nur den Kopf über das vermeintlich Selbstverständliche, das sich zumindest ihm nicht erschloß. Da holte der Gastgeber ungeduldig Luft, spannte sich an und begann von vorn. Jetzt sprach er plötzlich wie zu einem Kind.
»Bei diesem Waffentyp funktioniert es also wie folgt: Man gibt einen Schuß ab, worauf man mit der linken Hand nachlädt. Dann wird die leere Patrone hinausgeschleudert, und eine neue rutscht in den Lauf. Der Mann, der als erster schoß, gab einen Schuß ab, lud nach und schoß erneut. Der zweite Schütze machte es genauso. Folglich müssen sich im Raum vier leere Schrotpatronen befinden.«
Wallander wurde in seinen Überlegungen unterbrochen, als sich an der zerschossenen Decke und den Wänden blaue Lichtreflexe zeigten. Dann waren die Fahrgeräusche weiterer Wagen zu hören, die auf dem Kiesweg auf das Schloß zufuhren.
»Verzeihen Sie, wenn ich mich einmische«, sagte der Gastgeber, »aber müssen die… nicht hier liegen bleiben?«
»Nein«, erwiderte Wallander schnell. »Die Krankenwagenbesatzung erhält sofortigen Zutritt zum Zimmer, und danach halten wir die Absperrung nicht mehr aufrecht. Sie können mit dem Aufräumen beginnen, sobald Sie… na ja, sobald Sie es für richtig halten…«
»Unser Fernsehzimmer ist also sozusagen kein Tatort mehr?«
»Doch«, gab Wallander zögernd zurück, während ihn eine neue Attacke von Bosheit befiel. »Dieser Raum wird für immer ein Tatort bleiben. Ihre Urenkel können ihn Touristen zeigen, aber die Polizei braucht ihn nicht mehr.«
»Diese letzte Bemerkung finde ich unverschämt«, kommentierte der Gastgeber, ohne sich aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen oder die Stimme zu heben.
»Ja, das war sie«, bestätigte Wallander. »Ich bitte um Entschuldigung, aber jetzt gilt folgendes: Ich möchte Sie bitten, mit mir zu meinem Wagen hinunterzugehen, um sich zwei Waffen anzusehen. Dann wäre es mir lieb, wenn Ihre Gäste so schnell wie möglich nach Hause führen, jedoch mit einer Ausnahme.«
»Aber natürlich. Hier auf Vrångaholm haben wir der Polizei von Ystad immer zur Verfügung gestanden, zumindest in den letzten dreihundert Jahren«, entgegnete der Gastgeber mit einer ironischen Verbeugung.
Wallander erkannte, daß er die Ironie verdiente, und breitete die Arme in einer unbeholfen entschuldigenden Geste aus.
»Wir brauchen die Namen Ihrer sämtlichen Gäste und aller anderen Leute, die heute abend hier gewesen sein können oder denen bekannt war, daß Sie ein Fest gaben. Ich vermute, daß die sogenannten Wachtmeister da unten sich diese Informationen schon beschafft haben. Mir ist klar, daß es eine für Sie unangenehme Situation ist und daß… ja, wer es wünscht, kann nach Hause fahren.«
»Aber?« fragte der Gastgeber mit ruhig hochgezogenen Augenbrauen.
»Genau. Es gibt ein Aber. Ich würde mich gern mit zwei, mindestens zwei Ihrer Gäste von heute abend unterhalten, bevor sie wegfahren. Und dann möchte ich Sie wie schon gesagt bitten, mit mir zum Wagen hinauszugehen, um sich etwas anzusehen.«
Der
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