Über jeden Verdacht erhaben
Nein-Seite.
Erik Ponti seufzte laut und demonstrativ, was ihm ein vorsichtig zustimmendes Lächeln der beiden Inlandsreporter eintrug, die schon seit zehn Minuten die moderne Menschenführung hatten ertragen müssen.
Auf die übrigen Nachrichten des Tages eingehend, beurteilte der neue Chef den Mord an der Mutter des Säpo-Chefs als wichtiges Ereignis, dem man ebenfalls Aufmerksamkeit widmen müsse. Diese Sache werde in den Aushängen der Abendpresse vermutlich genauso groß aufgemacht werden, vielleicht sogar noch größer, als das Ergebnis der Volksabstimmung, doch das sei für einen seriösen Nachrichtenvermittler kein Grund, sich von der Sensationsmacherei mitreißen zu lassen.
»Je schneller du damit aufhörst, dummes Zeug zu reden und hier den Chef zu spielen, um so schneller können wir mit der Arbeit anfangen«, unterbrach ihn Erik Ponti so plötzlich, daß es ihn selbst erstaunte.
Es wurde sehr still im Raum. Der Chef schloß fest die Augen, als konzentrierte er sich oder als bekämpfte er eine Schmerzreaktion. Dann zeigte er wie ein Militär mit der ganzen Hand auf Erik Ponti.
»Kannst du erklären, was du damit meinst?« sagte er mit einem unbeabsichtigten Wechsel in die Stimmlage eines Baritons.
»Ja, das kann ich«, entgegnete Erik Ponti. »Ich wünsche dir viel Glück bei deiner weiteren Karriere, damit du möglichst schnell Landeshauptmann wirst oder was du dir sonst als Ziel deiner Laufbahn vorgestellt hast. Aber wir haben wirklich sehr viel zu tun, und diese Arbeit wird liegenbleiben, wenn du weiterhin die Grundsätze der modernen Menschenführung an uns ausprobierst. Können wir statt dessen nicht zu den konkreten Dingen übergehen?«
Erik Ponti hatte seiner Stimme bei den letzten Worten einen fast flehentlichen Tonfall gegeben, als wollte er trotz seiner groben Beleidigung tatsächlich einen Streit vermeiden. Er registrierte, daß es wohl tatsächlich so war, und stellte überdies fest, daß er eigenartigerweise nicht mal einen spürbar höheren Puls bekommen hatte, daß er etwas sagte, worüber er schon seit mehr als einem Monat nachdachte.
Der neue Chef hängte sich schnell an diesen flehentlichen Tonfall an, kletterte schnell an Bord und entging damit einer sofortigen Schlacht vor der versammelten Führungsgruppe.
»In Ordnung«, sagte er demonstrativ zurückhaltend, »dann machen wir es so. Was machen wir also in der zweiten großen Frage des Tages? Was meinst du, Hempel?«
Der Inlandschef Hempel hörte die Frage nicht, da er gerade an seinem Hörgerät herumhantierte. Er begriff jedoch rasch und steckte das Hörgerät ins Ohr, worauf die Frage wiederholt wurde.
»Wir haben einen vorläufigen Geschäftsplan«, begann er, ohne auch nur mit einer Miene zu zeigen, ob seine Wortwahl grobe Ironie über die modernen Führungsgrundsätze oder ein gedanklicher Lapsus war. »Erstens wird die Polizei in Ystad in einer Stunde eine Pressekonferenz geben. Einer von uns ist dorthin unterwegs. Zweitens arbeiten wir daran, Angehörige oder Zeugen aufzutreiben, die erzählen können, was passiert ist, falls die Polizei es nicht tut. Drittens könnte ich mir irgendeinen Kommentar seitens der Polizei vorstellen, nämlich ob es stimmt, wie es heißt, daß Hamiltons Mutter von zwei Sicherheitsbeamten begleitet wurde.«
»Kommentar seitens der Polizei?« fragte der neue Chef und machte ein scharfsinniges Gesicht. »Warum denn das?«
»Weil man sich fragen muß, wie es kommt, daß jemand, der Sicherheitsbeamte bei sich hat, in ihrem Beisein ermordet wird. Wir haben nämlich Sicherheitsbeamte für hundert Millionen Kronen in dem neuen Schweden«, erwiderte der Inlandschef müde.
»Aha, ich verstehe«, sagte der neue Chef. »Aber auf einen Kommentar des Säpo-Chefs können wir wohl nicht hoffen, oder? Was meinst du, Erik?«
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Erik Ponti. »Ich kann natürlich anrufen und fragen, aber die Aussichten dürften minimal sein.«
»Gut!« sagte der neue Chef. »Du kümmerst dich um alles, was mit Hamilton persönlich zu tun hat, und die Inlandscrew kümmert sich um die Polizei und derlei. Können wir so verfahren?«
Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, erhoben sich alle Anwesenden.
Auf dem Weg hinaus wurde Erik Ponti nicht ganz überraschend von dem neuen Chef zurückgehalten, der ein paar Worte mit ihm wechseln wollte; Ponti erhaschte noch ein munteres und schadenfrohes Blinzeln eines der Kollegen, der anders als er selbst jetzt endlich arbeiten konnte.
»Okay«,
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