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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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hatten sie sich jedoch geirrt. Denn als sie wieder zu dem Vernehmungsobjekt und dessen Rechtsanwalt ins Zimmer gingen, hatte sich dort ein dramatischer Sinneswandel ereignet. Der Anwalt wirkte gesammelt und ernst, während Johan Ludwig Runestrand völlig vernichtet zu sein schien.
    »Nun?« fragte Anna Wikström kurz, als sie das Tonbandgerät einschaltete.
    »Mein Mandant hat beschlossen, die ihm zur Last gelegten Taten zu gestehen«, begann der Rechtsanwalt geschäftsmäßig, als teilte er damit nichts sonderlich Bedeutsames mit. »Er macht jedoch geltend, sich in einem die volle Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Geisteszustand befunden zu haben. Dieser sei so ernst gewesen, daß er mit einer Geisteskrankheit gleichzustellen sei. Ein ärztliches Attest dazu werden wir nachreichen.«
    »Ach, wirklich?« sagte Anna Wikström erstaunt. Sie machte den Eindruck, als wäre sie völlig aus dem Konzept geraten.
    »Verstehe«, sagte Roger Jansson fast desperat, während er immer noch versuchte, den Inhalt dessen zu begreifen, was er soeben gehört hatte. »Aber die medizinischen Fragen kommen erst später. Unsere Arbeit besteht zunächst nur darin, die verschiedenen Ereignisabläufe festzustellen. Wenn dein Mandant jetzt also kooperationsbereiter ist, können wir vielleicht weitermachen und diesen Abschnitt hinter uns bringen?«
    »Natürlich, dem steht nichts entgegen. Je eher, um so besser«, sagte der Anwalt zufrieden.
    Anna Wikström fand schnell zu ihrem normaleren und sehr selbstsicheren Ich zurück. Das Verhör verlief zunächst glänzend, da Johan Ludwig Runestrand sich nun kooperationsbereiter zeigte als in ihren optimistischsten Prognosen.
    Zunächst gestand er ohne Umschweife. Die Waffe habe er vor zwei Jahren bei einer USA-Reise in Texas gekauft. Beim Rückflug habe er sie in seiner Reisetasche nach Hause geschmuggelt. Er habe den Flug mit seiner American-Express-Karte bezahlt, so daß das irgendwo in alten Rechnungen festzustellen sei. Damals, vor einigen Jahren, sei es ihm prachtvoll gegangen. Unter anderem habe er für fünfundvierzig Millionen Kronen einige Gemälde von Anders Zorn gekauft, und im Hinblick auf das Risiko, bestohlen und überfallen zu werden, habe er gemeint, zu Hause eine bessere Verteidigung zu brauchen als seine alte Dienstpistole, die ihm in seiner Eigenschaft als Reserveoffizier zustehe.
    Doch dann habe ihn eine lange Pechsträhne erwischt. Erstens hätten es sich bestimmte Banken in den Kopf gesetzt, ihre Darlehen zurückzufordern. Und dann habe eins das andere ergeben. Denn nach Konkurs und der Beschlagnahme seiner Zorn-Gemälde habe seine Frau die Kinder genommen und sei zu ihren Eltern zurückgezogen. Außerdem habe sie ein Zorn-Gemälde mitgenommen.
    In diesem Stadium der Erzählung machte Johan Ludwig Runestrand den Versuch, den Irren zu spielen, indem er wild starrte und die Stimme hob. Er versuchte, seine Gefühle angesichts des Umstands zu schildern, daß er, der aus guter Familie stamme und überdies Offizier sei, mittellos auf die Straße gesetzt werden solle, weil Schwedens Wirtschaft ruiniert sei. Und das liege daran, daß die Sozialhilfeempfänger alle Hilfsquellen verzehrten, so daß das Land über seine Verhältnisse lebe. Wären da nicht all diese Sozialfälle und Einwanderer, die gewaltige Summen kosteten, nicht zuletzt an Sozialhilfe und Reisekosten, denn Ausländer dürften im Urlaub mit ihren Familien in Chartermaschinen in die Länder zurückfliegen, in denen sie angeblich verfolgt würden. Wenn das alles nicht wäre, hätte er, Johan Ludwig, noch immer als glücklicher Schwede leben können.
    »Schweden muß gerade bei diesen Ausgaben gewaltige und harte Einschnitte vornehmen«, rief er aus und rollte mit den Augen. »Wenn man alle Kreativität besteuert, tötet man sie. Dann wird Schweden unweigerlich einem entsetzlichen brain drain ausgesetzt, der darin besteht, daß alle kreativen Menschen außer Landes gehen. Wenn es aber gelingt, der Verschwendung ein Ende zu machen, hat der kreative alte Gründergeist vielleicht noch eine Chance. Etwa wenn es gelingt, die Zahl der Einwanderer zu senken. Am besten wäre es, die ganze Bagage verschwindet wieder.«
    Der Mann holte tief Luft und fuhr dann fort: »Daß ich, Johan Ludwig Runestrand, die Zahl der Sozialhilfeparasiten um zwei verringert habe, ist folglich als patriotische Tat zu werten. Ich habe dabei nur das Wohl Schwedens vor Augen gehabt. Außerdem ist es für den schwedischen Volksstamm schädlich, allzu

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