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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Sie entschuldigen.«
    »Es ist wirklich nicht peripher«, wandte sie schnell ein. Sie hörte sich eifrig und entrüstet zugleich an. »Es ist nämlich so: Der gesamte Prozeß wird sich, Genosse Admiral, bis zu Ihrem Erscheinen nur darum drehen, was für ein entsetzlicher Schurke Sie sind. Sie sind der böse Feind, und so weiter. Das macht nämlich die Verbrechen meines Mandanten um so schwerwiegender. Und dann treten Sie endlich auf. Verstehen Sie denn nicht? Das Großkreuz des Sankt-Georgs-Ordens ist in neuerer Zeit außer Ihnen keinem Menschen zuerkannt worden, soviel ich weiß. Falls der liebe Boris Nikolajewitsch ihn sich nicht selbst verliehen hat. Und für diese Militärrichter, die vielleicht von einer früheren Zeit träumen, haben wir dann noch den Roten Stern. Ihnen kann doch wirklich nicht entgehen, was für eine Bedeutung das alles hat?«
    »Vielleicht«, erwiderte Carl peinlich berührt. »Es ist nur so, daß es mir etwas unangenehm ist. Und was Ihren Präsidenten angeht, war Boris Nikolajewitsch vielleicht, hhmm, ungewöhnlich guter Laune, als er diese Entscheidung traf. Ferner gehe ich davon aus, daß wir in diesem Raum nichts zueinander sagen, was gegen russische Gesetze verstößt.«
    »Nein, natürlich nicht«, räumte sie fröhlich ein und schenkte ihm ein breites Lächeln. »Und jetzt, Genosse Admiral, nachdem Sie mir das Wichtigste bestätigt haben, wollen Sie vielleicht etwas darüber wissen, wie der Prozeß angelegt ist?«
    »O ja, das wäre eine sehr gute Idee«, sagte Carl ironisch.
    »Nachdem wir das wirklich Wichtige offenbar schon erledigt haben.«
    Sie erklärte zunächst, daß er nicht das Recht habe, einige der Akten einzusehen, die sie auf dem Tisch vor sich liegen habe, sie habe jedoch das Recht, sich ihrer zu bedienen, um ihre Absichten mit der bevorstehenden Zeugenaussage zu beschreiben. Danach begann sie mit einer etwas zu ausführlichen Beschreibung der Rechtslage und dem juristischen Inhalt der Anklage. Als sie jetzt sprach, wurde sie plötzlich lebendig und verriet so etwas wie Leidenschaft und Kampfinstinkt, Eigenschaften, die sie in Carls Augen total verwandelten, und das trotz des grellen Make-ups und ihrer Kleidung, die ihn spontan an eine Prostituierte hatte denken lassen.
    An dem eigentlichen Sachverhalt gab es kaum etwas zu deuteln. General Tschiwartschew hatte selbst eine sehr ausführliche Beschreibung dessen beigetragen, was geschehen war. Überdies hatte er erklärt, sich der Konsequenzen dessen bewußt zu sein, daß ausgerechnet dieser Hamilton über die russischen Operateure in London aufgeklärt worden sei. Tschiwartschew hatte also zugegeben, daß ihm durchaus klar gewesen sei, daß sein Handeln zu ihrem Tod führen werde. Tschiwartschew sei auch die juristische Konsequenz dessen bewußt gewesen, daß ein General beim Nachrichtendienst Informationen weitergegeben habe, die zu Verlusten der eigenen Seite geführt haben.
    Soweit die rein sachliche Grundlage der Anklage.
    Carl hatte mit gemischten Gefühlen zugehört. So wie er es sah, stand das Urteil schon fest, Medaillen hin, Medaillen her. In keinem einzigen ihm bekannten Rechtssystem würde der Angeklagte gegen diese Anklage vernünftigerweise eine Chance haben. Und daß ausgerechnet das alte sowjetische Recht, das immer noch angewandt wurde, sehr viel liberaler sein sollte, konnte er sich unmöglich vorstellen.
    Dennoch dieser angriffslustige Optimismus dieser Frau. Es fiel Carl schwer, das miteinander zu vereinbaren. Außerdem begann er sie sogar hübsch zu finden, wenn sie sich engagierte. Er betrachtete ihre Beine und stellte fest, daß es Sportlerinnenbeine waren. In diesem Moment ging ihm auf, daß dies der erste Gedanke seit langer Zeit war, der auch nur andeutungsweise etwas mit Sexualität zu tun hatte. Bis heute hatte er sich als auf ewig entsexualisiert vorgestellt.
    »Und jetzt zu der Frage, wozu meine Zeugenaussage gut sein könnte?« fragte er, als sie endlich mit der sogenannten Rechtslage fertig war. »Das ist die Frage, die ich Ihnen schon am Telefon gestellt habe, Frau Anwältin. Was Sie beweisen können, wenn Sie mich als Zeugen vernehmen. Ich kann vernünftigerweise ja nur den vernichtenden Sachverhalt bestätigen. Ja, es ist wahr. Ja, Genosse General Tschiwartschew hat mir diese Namen genannt. Ja, das hat dazu geführt, daß wir Ihre operativen Offiziere in London eliminiert haben. Ja, Genosse General Tschiwartschew muß gewußt haben, daß dies die Folge sein würde. Wenn ich die Wahrheit

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