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Über jeden Verdacht erhaben

Über jeden Verdacht erhaben

Titel: Über jeden Verdacht erhaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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weiter.
    Das Wortgeklingel bedeutete natürlich rein gar nichts, doch Erik Ponti erboste das nicht im mindesten, da er dieses Gewäsch ohnehin nur als eine kurze, wenn auch peinliche Übergangsperiode in der zeitweise turbulenten Geschichte der Redaktion ansah; der vorhergehende Chef war gefeuert worden, weil er nachts nicht hatte aufstehen wollen, nur weil die »Estonia« gesunken war.
    Als dem neuen Chef schließlich allmählich die Puste ausging und er nach Worten suchte, erkannte Erik Ponti, daß es Zeit war, sich zu entschuldigen und auf die Toilette zu gehen. So würde er rechtzeitig wieder dasein, wenn es um die konkreten Dinge der Besprechung ging.
    »Montezumas Rache«, flüsterte er entschuldigend und stahl sich hinaus.
    Er hatte sich mit der Zeit ein wenig verrechnet und mußte das letzte Stück Korridor laufend zurücklegen.
    Als er in den Konferenzraum zurückkehrte, sah er, daß die Kollegen sich inzwischen ein wenig aufgerichtet hatten und in ihren Notizen wühlten. Außerdem schraubte der Chef des Inlandsressorts an seinem Hörgerät herum. Das war ein Zeichen, daß die dynamische Führung für dieses Mal erledigt war. Der neue Chef war gerade dabei, seine drei Schlagwörter zu wiederholen, während er sie auf der Tafel zeigte: Tempoverlust – Initiative – die Führung übernehmen .
    Traditionsgemäß begann die Sitzung mit dem Inlandsressort. Dieses hatte infolge eines Streits zwischen Carl Bildt und der Kanzlei des Ministerpräsidenten einiges zu tun. Es ging um vertrauliche Gespräche des Auswärtigen Ausschusses, von denen etwas an die Öffentlichkeit gesickert war. Das meiste war Routine, wenn man vielleicht von der Frage absah, ob man das Murren in Expressen aufgreifen sollte. Das Blatt hatte gemeldet, der König habe Gudrun Schyman eine Rüge erteilt, weil ihr Handy bei einer Konferenz nicht abgeschaltet gewesen sei. Die Sache konnte jedoch nicht weiter verfolgt werden, weil außer dem König nur die Parteichefs und ein Ministerialdirigent anwesend gewesen waren. Somit war niemand befugt, sich über den Inhalt der Gespräche zu äußern. Quellen aus zweiter Hand waren eine unsichere Sache. Und sich aufgrund einer Quelle aus dritter Hand zu äußern, nämlich einem Expressen -Reporter, erwies sich als unmöglich, als sich herausstellte, um wen es sich dabei handelte: einen der berüchtigtsten Reporter des Blatts. Ein Interview Gudrun Schymans war ebenfalls unmöglich, wie sehr es sie auch amüsieren würde, sich über den König zu beschweren. Sie unterlag nämlich auch der Schweigepflicht.
    Anschließend hielt der neue Chef eine kleine Ansprache, bei der er erneut seine Schlagworte auf der Tafel wiederholte. Das war eine Art Einführung zu der Idee, daß die Justizredaktion die Serienmorde an Ausländern erneut aufgreifen solle.
    Inzwischen war nämlich eine Nachricht eingegangen, über die der Ressortchef jetzt berichtete. Normalerweise gut unterrichteten Quellen zufolge sei noch ein Kanake ermordet worden, diesmal außerhalb von Västerås. Jedenfalls habe man einen Staatsanwalt als Leiter der Voruntersuchung eingesetzt, was einmal darauf hindeutete, daß es sich um Mord handle, zum anderen darauf, daß es vielleicht eine verdächtige Person gab. Das Opfer heiße Newzat Özen und sei Musiker gewesen.
    »Wir wissen vielleicht , daß ein Türke außerhalb von Västerås vielleicht ermordet worden ist?« schnitt Erik Ponti dem Mann den Wortschwall ab, um eine schnellere Darlegung zu erreichen.
    »Woher willst du wissen, daß er Türke ist?« fragte der Leiter des Justizressorts erstaunt und ohne jede Spur von Aggressivität.
    »Newzat Özen«, seufzte Erik Ponti. »Aus Norrbotten kam der jedenfalls nicht. Vielleicht war es ein Kurde. Wie ist er ermordet worden?«
    »Das ist es ja, was wir nicht wissen…«, sagte der Ressortchef zögernd, da ihm sehr wohl bewußt war, wie schwach diese Äußerung sich ausnehmen mußte.
    »Aha. Ein Türke ist außerhalb von Västerås vielleicht ermordet worden, aber falls ja, wissen wir nicht wie«, stellte Erik Ponti fest.
    Verlegenes Schweigen machte sich im Raum breit. Der neue Chef, der den Vorschlag unterstützt hatte, machte ein Gesicht, als kämpfte er einen harten Kampf mit sich aus, bis er die Idee fallenließ, ohne den Kampf aufzunehmen.

6
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