Über jeden Verdacht erhaben
nämlich die Festnahme der Ehefrau und ihre Vernehmung. Dann bitte ich um Genehmigung, unseren eigenen Vernehmungsspezialisten hinzuschicken, und das dürfte er uns kaum verweigern.«
Willy Svensén nickte schwer zu Roger Jansson hin, bevor er fortfuhr.
»Nun ja, Roger, du hast ja gehört, was Rune erzählt hat. Was meinst du dazu?«
»Wenn sie ihren Mann umgebracht hat, ist sie eine Giftmischerin der Sonderklasse. Dann gesteht sie aber auch nicht, und außerdem dürften wir bei einer Hausdurchsuchung nichts mehr finden. Wenn aber ihr Gitarre spielender Mann für die Säpo gearbeitet hat, wird es interessant.«
»Genau mein Gedanke«, bemerkte Willy Svensén und gab durch eine Handbewegung zu verstehen, daß die Besprechung beendet war. »Dann belassen wir es vorerst dabei.«
Rune Jansson verließ den Raum, um in sein Dienstzimmer zu gehen, und winkte seinem jüngeren Kollegen nachdenklich zu, bevor er die Tür hinter sich zumachte.
Er ließ sich schwer auf einen Stuhl vor seinem PC fallen, um die offiziellen Anfragen an den Säpo-Chef zu formulieren, die bei der Besprechung abgesegnet worden waren. Es fiel ihm schwer, sich Hamilton als Chef der Säpo vorzustellen. Es war für ihn unsinnig, daß ein Spion zum Chef der Spionageabwehr ernannt wurde. Aber so war es in Schweden: Die höchste Qualifikation der potentiell höchsten Bosse bestand darin, daß sie nichts über den Job wußten oder aus dem gegnerischen Lager kamen. So wurden Politiker Chefredakteure, Börsenspekulanten wurden ins Finanzministerium geholt, und Journalisten wurden Minister. Zollbeamte wurden Reichspolizeichefs, und so weiter, und so weiter. Rune Jansson ging das alles natürlich nichts an. Jeder mußte seine Arbeit tun, unabhängig davon, was für einen Chef er hatte.
Anschließend versuchte er zusammenzufassen, was sie wußten und was nicht. Er arbeitete seit fast siebzehn Jahren als Ermittler in Mordfällen und wußte, daß komplizierte Fälle viel Zeit erfordern. Das störte ihn jedoch nicht im mindesten. Üblicherweise meinte man gegen einen ewigen Gegenwind ankämpfen zu müssen. Die Fortschritte waren so klein, daß man sie kaum bemerkte, bis man plötzlich nach einer Woche oder einem Monat das Puzzle zusammenlegen konnte. Diese Weihnachtsfeiertage waren letztlich doch nicht so schlecht gewesen. Er hatte eine ganze Menge zu tun gehabt, statt einfach nur dazusitzen und zu grübeln. Das war gut. Grübeleien sind etwas für Amateure und Privatschnüffler, als Polizeibeamter hatte er Arbeit zu erledigen. Die Tatsache, daß er im Augenblick noch nicht wußte, wer oder warum, bekümmerte ihn nicht im mindesten. Der Job war wichtig. Wenn er seine Sache gut machte, ergab das manchmal Ergebnisse, sogar auffällig oft. Bloß nicht grübeln oder im großen Stil denken. Nur keine Visionen . Nur die übliche Knochenarbeit, dann werden sich schon Ergebnisse zeigen, dachte er.
Erik Ponti kehrte zum zweiten Mal von Grosnyi zurück, der ehemaligen Hauptstadt Tschetscheniens. Er vermutete, daß er diesmal eine Amöbenruhr mitgebracht hatte. Das war ein angemessener Preis. Immerhin war er noch am Leben.
Er kam einige Minuten zu früh zur Arbeit, um vor der Besprechung noch Zeit für einen Toilettenbesuch zu haben. Anschließend stellte er sich vor das Schwarze Brett in der Zentralredaktion und betrachtete die Vorwetten. Jemand forderte dazu auf, hundert Kronen darauf zu setzen, wann der gegenwärtige Chefredakteur von Expressen , Olle Wästberg, gefeuert werden würde. Wer dem Zeitpunkt am nächsten kam, wurde Sieger. Weitere hundert Kronen konnten darauf gesetzt werden, wer Wästbergs Nachfolger wurde. Erik Ponti überlegte kurz und trug sich dann an einem noch freien Datum im Februar ein. Er setzte weitere hundert Kronen darauf, daß die Leiterin der Kulturredaktion die Nachfolge antreten würde; er ging davon aus, daß nach dem Politiker jetzt eine Quotenfrau an der Reihe war.
Anschließend war er zu seiner ersten Abteilungsleiterkonferenz seit langer Zeit bereit.
Er hatte schnell das Gefühl, in die Wirklichkeit zurückgekehrt zu sein, zu dem, was fern vom Tod richtiger Menschen unter russischen Bomben als Wirklichkeit galt. Der neue Chef hatte am Wochenende nämlich wieder nachgedacht und führte jetzt seinen rasanten Führungsstil vor. Er fuchtelte mit einem großen Block und Farbstiften herum und schilderte, was Tempoverlust bedeute, was es heiße, Initiative zu ergreifen, die Führung zu übernehmen, Synergien zu nutzen, und so
Weitere Kostenlose Bücher