Über jeden Verdacht erhaben
macht?«
»Ja, vielleicht«, entgegnete die Anwältin bekümmert. »Ich habe ehrlich mein möglichstes getan, um mich in die militärische Denkweise hineinzuversetzen. Daß es heute Ihr Job ist, russische Spione zu überführen, kann ja wohl kaum der Förderung der Freundschaft und des Friedens dienen.«
»Wie man’s nimmt«, erwiderte Carl. »So merkwürdig ist das Ganze nun auch wieder nicht. Schweden hat eine Sicherheitspolizei, die auf russische Spione Jagd macht, und Sie haben eine, die schwedische Spione jagt. Es ist wie beim Eishockey. Manchmal gewinnen Sie, manchmal wir.«
»Aber früher haben Sie also gegen uns spioniert? Da waren Sie doch wohl ein Feind?«
»Doch, das schon. Aber nach 1991 hat sich ja einiges geändert, und das wird allein schon durch die Tatsache meiner Verbindungen zu General Tschiwartschew illustriert. Zunächst waren wir Feinde. Bei einer Gelegenheit hat er sogar versucht, mich töten zu lassen. Dann folgte eine Periode mit einem etwas ausgewogeneren Verhältnis zwischen uns beiden, dann wurden wir Verbündete, dann Freunde. Das ist eine interessante historische und politische Entwicklung, und ich könnte mir vorstellen, daß alle Offiziere bei Ihnen wie bei uns diese Selbstverständlichkeit genauso sehen wie ich.«
»Haben Sie gerade mit General Tschiwartschew etwas zu tun gehabt, das für die Interpretation Ihrer Angaben vor Gericht von Bedeutung sein kann?« fragte sie nach einer kurzen Denkpause. »Etwas, was mir nicht bekannt ist?«
»Möglicherweise die Operation Green Dragon«, erwiderte Carl zögernd. »Ich weiß nicht, wieviel hier in Rußland davon bekannt geworden ist, wenn ich von meiner Beteiligung absehe, wofür Ihr impulsiver Präsident Boris Nikolajewitsch gesorgt hat. Wissen Sie nicht, daß General Tschiwartschew ebenfalls das Sankt-Georgs-Kreuz erhalten hat?«
»Nein, das ist wirklich eine Neuigkeit!« rief sie aus und machte sich so eifrig Notizen, daß dabei die Spitze ihres Bleistifts abbrach. Sie fluchte und nahm einen neuen aus ihrer Handtasche. »Was können Sie mir davon erzählen?«
»Vielleicht sollten wir mit dem beginnen, was als international bekannt vorauszusetzen ist«, sagte Carl und versuchte, im Kopf möglichst schnell geheime und nichtgeheime Informationen zu trennen. »Vor einigen Jahren haben die Nachrichtendienste Schwedens, Rußlands, der USA und der Palästinenser in einer Operation zusammengearbeitet, die den Decknamen Green Dragon erhielt. Dabei ging es darum, Kernwaffen aufzuspüren und zu vernichten, die aus dem Gebiet um Murmansk außer Landes geschmuggelt worden waren. Das Unternehmen wurde zu einem Erfolg, und anschließend machte Präsident Jelzin die Sache in einem etwas impulsiven Fernsehinterview publik. Ich wurde als Vertreter des schwedischen Trupps in den Kreml gebeten, durfte meine Medaillen abholen und wurde vor den Fernsehkameras geküßt. Jetzt wollen wir mal sehen… soweit muß alles veröffentlicht sein und allgemein bekannt. Was geheim sein könnte, ist die Tatsache, daß der russische Verbindungsmann bei dieser Operation General Tschiwartschew war. Ich bin mir da nicht ganz sicher, weiß aber genau, daß auch er mit dem Sankt-Georgs-Kreuz ausgezeichnet wurde. Darf er während des Prozesses in Uniform auftreten?«
»Natürlich!« rief sie begeistert aus. »Sie haben schon meine Gedanken gelesen, Herr Admiral. General Tschiwartschew ist noch nicht verurteilt. Folglich tritt er wie alle anderen in Uniform auf, denn schließlich handelt es sich um einen Prozeß vor einem Militärgericht. Militärs sehen sofort, was er angelegt hat. Wir umgehen das, indem ich Sie nach diesen Dingen befrage. Man kann Ihnen als Ausländer nämlich keine Schweigepflicht über russische Geheimnisse auferlegen, von denen Sie offiziell gar nichts wissen können. Nicht übel, was?«
»Nein, ganz und gar nicht«, bestätigte Carl und stimmte amüsiert zu. »Das hört sich unleugbar pfiffig an. Sie wollen zeigen, daß General Tschiwartschew ein Held des Vaterlandes ist, nicht wahr?«
»Genau!« bestätigte sie eifrig. »Noch vor wenigen Jahren hätte er nämlich einen solchen Stern getragen, als Held der Sowjetunion. Sie kennen diese Auszeichnungen. Ich glaube, daß unsere Militärrichter vor solchen Orden eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen werden. Das ist wirklich sehr gut. Finden Sie, daß ich Ihre Zeit zu sehr in Anspruch nehme?«
»Natürlich nicht, Frau Anwältin«, verneinte Carl erstaunt.
»Aber sagen Sie mir eins: Ich
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