Über Morgen
Muskeln auf ...“
„Gabriele“, unterbricht meine Mutter langsam und laut. „Du weißt, dass das nicht stimmt. Agnes ist eine junge Frau mit einem Abschluss in Philosophie, die sich abrackert und ihr ganzes hart verdientes Geld dafür aufspart, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Vielleicht stellt uns Agnes später noch ein Rezept vor. Wir könnten alle lernen, wie man dieses leckere Schmalzgebäck zubereitet.“ Sie hält einen Teller hoch wie in einer Verkaufssendung, tritt aber weiter in die Pedale. Schmalzgebäck besteht aus Schmalz, Mehl und Wasser. Mum sagt, sie sind das Geheimnis, wie man mit Stromerzeugung einen Profit erzielen kann.Ich mache sie für sie, aber ich mache sie nicht gerne. Schmalz macht mich wahnsinnig.
„Sie hoffen, davon den Urlaub bezahlen zu können“, meint Danny.
„Oje.“
„Dad versucht so langweilig wie nur möglich zu sein, damit sie alle wieder abhauen.“
Ich sehe zu Dad hinüber. Er folgt mit den Augen einem Pfad, der genauso aussieht wie der vor zwei Minuten. Die meiste Zeit trägt er Wanderschuhe.
„Hat er es überhaupt bemerkt?“
Danny schüttelt den Kopf und lacht. „Oh, und wir haben übrigens Badewasser.“
„Wer war schon drin?“
„Gab und ich.“
„Hast du reingepinkelt?“
„Nein.“
Nach dem Baden gehe ich in mein Zimmer und lade meine Vitaldaten vom heutigen Training hoch. Mit meinem Endspurt liege ich knapp unter sechs Minutenkilometern. Das ist langsamer als das Tempo eines Profimarathonläufers, aber für mich ist das in Ordnung, und außerdem hat es gereicht, um Theo und seine Freunde zu schlagen. Emotional war während des Trainings alles ziemlich gut: Ich lag bei 1,5, bis ich losgespurtet bin. Aber meine Vitaldaten für den restlichen Tag sind nicht so gut. Ich warte immer noch darauf, dass das Telefon klingelt und Ursula, die Besitzerin des Hotels Marshall, anruft und mir meinen Job wieder anbietet. Ich möchte, dass sie mir mitteilt, dass Paul gefeuert wurde oder gegangen ist und ich alleinige Chefköchin bin.
Heute Nachmittag hatte ich Eier gepellt, einer der schlimmsten Jobs in der Küche, weil die oberste Hautschicht der Finger von der Schale zerschnitten wird und man am Ende so aussieht, als hätte man eine schlimme Hautkrankheit. Verrückt, dass es ausgerechnet heute passiert ist, denn eigentlich hatte ich mir vorgenommen, wirklich zu versuchen, die Dinge in der Küche einfacher zu gestalten. Paul und ich wussten, dass das Küchenpersonal unsere Auseinandersetzungennicht ertrug, weil sie ständig kündigten. Letzte Woche ist Ty gegangen, und jetzt haben wir ein neues Mädchen: Rachel. Auch wenn jedem klar war, dass ich immer Recht hatte (ich wollte kleinere Portionen rausschicken, weil immer so viel zurückkam; ich wollte Butter statt Margarine verwenden, und ich wollte eine richtige Suppenbrühe) und Paul immer Unrecht (er warf vergammelten Kopfsalat nicht weg; er streute Zucker auf Tomaten, verwendete abgepackte Bratensoße und schaute sich immer Live-Übertragungen von Amateur-Autorennen auf dem großen Bildschirm über dem Backofen an), hatte das alles irgendwo unterwegs an Bedeutung verloren, und wir waren die zwei geworden, „die sich ständig in den Haaren lagen“. Aber egal, jedenfalls war ich dabei, Eier zu pellen, als er herüberkam und eine Aluminiumschüssel voller Salat vor mich hinknallte.
„Was zum Teufel ist das?“
„Äh, Salat?“
„Fang jetzt bloß nicht wieder an.“
„Tue ich nicht. Ich weiß wirklich nicht, worauf du hinaus willst.“
„Warum hast du den Salat angemacht, nachdem ich dir ausdrücklich befohlen hatte, es nicht zu tun?“
„Wie bitte? Ausdrücklich? Befohlen? Du bist doch nicht mein Boss.“ „Sag mir einfach warum.“
„Himmel noch mal. Du bringst mich auf die Palme. Ich habe ihn nicht angemacht. Ich weiß, dass du glaubst, die Kunden wollen fades Essen. Warum sollte ich also etwas so Normales tun, wie eine Salatsoße zubereiten?“
Rachel kam vom Abwasch herüber und sagte: „Ich war das. Im Blue Moon haben wir den Salat immer angemacht.“
„Da siehst du’s“, sagte ich. Zu diesem Zeitpunkt schlug mein Stresslevel bereits nach oben aus wie gut geschlagene Sahne. In unserer Hotelküche wird die Sahne allerdings nie geschlagen. Wir nehmen die aus der Sprühdose.
Rachel seufzte. „Ich musste aber erst rausgehen und etwas Balsamico-Essig kaufen, ich konnte hier keinen finden. Ich habe den Kassenbon aufgehoben.“ Sie drückte auf ihrer Box herum, damit der Kassenbon
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