Über Morgen
angezeigt wurde.
Paul rieb sich die Augen. „Du hast den Kassenbon aufgehoben.“
Rachel sah mich an, und ich runzelte die Stirn.
„Du hast den verdammten Kassenbon aufgehoben“, wiederholte Paul. „Paul“, setzte ich an.
Er wandte sich an Rachel. „Erstens, das bezahlst du von deinem Gehalt. Und zweitens, du bist gefeuert. Hol deine Sachen und geh.“
„Das ist lächerlich. Du kannst niemandem rauswerfen, nur weil er Balsamico-Essig gekauft hat“, sagte ich.
„Wir. Müssen. Sparen.“
Rachel holte bereits ihren Mantel.
„Wenn sie geht, dann gehe ich auch.“
Sie ging, und somit ging ich auch. Ich musste ziemlich lange laufen, bevor ich mich wieder okay fühlte.
Jetzt in meinem Zimmer versuche ich Theos Nachricht aufzurufen, aber ich kann sie nicht finden. Ich wusste gar nicht, dass man über das Ding Nachrichten empfangen kann, und ich sehe keine Möglichkeit, eine zurückzuschicken. Das ist doch nur eine kleine Uhr ohne Buchstabentasten, nur welche für ‚Stop’, ‚Start’ und ‚Menü’. Ich gehe auf ‚Menü’, um herauszufinden, ob es irgendeine Option gibt, die ich nicht kenne, aber ich finde keine. Ich bin davon ausgegangen, dass der Mann mit den Locken mir die Nachricht geschickt hat, aber er ist gerudert. Es hätte jeder der Männer sein können. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet. Schließlich ist jetzt keine Nachricht mehr da.
Früher sahen die Hallen an der Uferpromenade aus, als wären sie aus geschmolzenen Gummibärchen hergestellt: leuchtendes Gelb, Pink, Blau und Rot. Jetzt haben sie die Farben der staubigen, biologischen Süßigkeiten, die ich auf meinen langen Trainingsläufen esse: Lavendel, Aquamarin, Eierschale und Meergrün. Schuld daran sind die Glühbirnen: Es sind keine Neonlampen mehr, aber dafür halten sie im Gegensatz zu Neonlampen tausend Jahre, bevor sie ausgewechselt werden müssen. Ganz schön gewagt von diesem Unternehmen, sich so etwas auszusuchen. Es sah immer danach aus, als würde das Unternehmen womöglich nicht einmal den nächsten Monat überleben, ganz zu schweigen vom nächsten Millennium. Hier gibt es keine Tapete und auch kein erkennbares Layout.In einer Ecke steht der Tisch für die MD&D-Spiele, direkt daneben lehnt ein altes Karussellpferd und dann folgt eine komplett willkürliche Auswahl von Arcade-Automaten aus der gesamten Geschichte der Spielhallen, die die Wände mehr oder weniger auskleiden. George, der Besitzer, steht den ganzen Abend in einer kleinen Kabine und stapelt Wechselgeld auf, während er sich die Familie Takahashi anschaut. Jeder schaut die Familie Takahashi. Sie haben täglich so um die fünfzig Millionen Aufrufe. Vor ein paar Jahren sind sie davon so reich geworden, dass sie direkt vor Tokio ein Schloss bauen ließen. Den Leuten gefällt ihr Leben im Schloss sogar noch mehr als das zuvor in ihrer Wohnung, weil sie sich jetzt immer darüber streiten, wer den Champagner vergossen hat, und außerdem kaufen sie sich ständig sehr teure Welpen.
Soweit ich das beurteilen kann, kommt hier niemand her, bis auf Danny und seine Freunde und ein paar ältere Jugendliche, die hin und wieder ihr Air-Hockey-Spiel am Pier stehen lassen und ihre Freundinnen mitbringen, um die Tanzsimulationen auszuprobieren. Und dann gibt es da noch den Kürbismann. Er trägt das ganze Jahr über einen Kürbis mit sich herum. Keiner weiß, warum. Im August ist der alte Kürbis immer völlig verschrumpelt, und wenn die Saison wieder losgeht, holt er sich einen neuen. Er geht immer nur in den Skisimulator. Dort ist er fast die ganze Zeit, und sein Kürbis liegt oben auf der Maschine, während seine Beine sich vor und zurück bewegen. Ich glaube, George lässt ihn umsonst spielen, weil die Maschine an einem Stromgenerator hängt. Zwischen zwei Tänzen gehen die Mädchen manchmal zum Kürbismann hinüber und versuchen, sich mit ihm zu unterhalten. Einmal haben sie seinen Kürbis gestohlen, aber Jerry vom Pier hat dafür gesorgt, dass sie ihn wieder zurückbringen. Danny darf nur dann zur Uferpromenade, wenn ich mit ihm dorthin gehe, aber das dürfen seine Freunde nicht wissen, und auch die anderen nicht. Ich muss also so tun, als wäre ich süchtig nach dem billigsten Spiel und müsste es jeden Abend mindestens eine Stunde spielen, ohne Blickkontakt mit Danny aufzunehmen. Manic Mechanic ist ein ZX Spectrum Spiel aus den Achtzigern. Anfang 2000 hat George eine Arcade-Version davon auf dem Flohmarkt erstanden. Für zehn Cents bekommt man fünf
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