Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
Programm waren Hunderte oder Tausende solcher Karten erforderlich. Wenn Sie Ihr Programm
endlich fertig gestanzt hatten, mussten Sie die Lochkarten dem Administrator eines Mainframe-Computers übergeben. Da Computer
immer nur eine Aufgabe nach der anderen ausführen konnten, musste der Administrator Ihrem Programm einen Termin geben. Je
nach Länge der Warteschlange konnte es Stunden oder auch einen ganzen Tag dauern, ehe Sie Ihre Lochkarten zurückbekamen. Und
wenn Sie in Ihrem Programm auch nur einen einzigen Fehler hatten – und sei es nur einen Tippfehler –, konnten Sie Ihre sämtlichen
Karten durchgehen, den Fehler aufspüren und wieder von vorn anfangen.
Unter diesen Umständen war es ausgesprochen schwer, ein Programmierexperte zu werden. Dass jemand mit Anfang 20 den Status
eines Experten erreichte, war nahezu ausgeschlossen. Wenn Sie in jeder Stunde, die Sie im Computerraum zubringen, nur ein
paar Minuten lang tatsächlich programmieren können, wie sollen Sie dann auf Ihre 10 000 Stunden kommen? Ein Computerwissenschaftler
aus dieser Zeit erinnert sich: »Mit den Lochkarten hat man nicht Programmieren gelernt, sondern Geduld und Korrekturlesen.«
Erst Mitte der Sechzigerjahre zeichnete sich eine Lösung für das Programmierproblem ab. Computer waren endlich leistungsstark
genug, um mehr als einen »Termin« gleichzeitig wahrzunehmen. Experten erkannten, dass mithilfe eines überarbeiteten Betriebssystems
mehrere Nutzer gleichzeitig an einem Rechner arbeiten konnten. Der Computer konnte lernen, Hunderte Operationen gleichzeitig
auszuführen. Das bedeutete auch, dass die Programmierer nicht mehr mit ihren Kartenstapeln zu einem Administrator gehen mussten.
Es konnten Dutzende Terminals eingerichtet werden, die über Telefon mit dem Mainframe-Computer in Verbindung standen, und
die Programmierer konnten gleichzeitig »online« arbeiten.
Ein Autor beschreibt die Erfindung des Mehrbenutzersystems so:
|44| Es war mehr als eine Revolution. Es war eine Erleuchtung. Vergessen waren der Administrator, die Kartenstapel und die Warterei.
Dank der Multiuser-Systeme saßen Sie an Ihrem Terminal, gaben ein paar Befehle ein und bekamen sofort eine Antwort. Das Multiuser-System
war interaktiv: Ein Programm konnte eine Eingabe abfragen, auf eine Antwort warten, die Berechnung ausführen und Ihnen die
Antwort ausspucken, alles in »Echtzeit«.
Hier kommt Michigan ins Spiel, denn Michigan war eine der ersten Universitäten, die auf das Mehrbenutzersystem umstellte.
Im Jahr 1967 hatte sie einen Prototyp installiert. Anfang der Siebzigerjahre hatte die Universität so viel Rechenleistung,
dass mehr als einhundert Teilnehmer gleichzeitig im Computerzentrum arbeiten konnten. »Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre
gab es kaum einen Ort, der die Möglichkeiten von Michigan bot«, berichtet Mike Alexander, einer der IT-Pioniere der University
of Michigan. »Daneben gab es vielleicht noch das MIT, Carnegie Mellon oder Dartmouth. Aber ich glaube, das war’s auch schon.«
Dies war die Möglichkeit, die sich Bill Joy bot, als er im Herbst 1971 auf dem Campus von Ann Arbor ankam. Er hatte sich nicht
wegen des Computerzentrums für die University of Michigan entschieden. In der Schule hatte er nichts mit Computern zu tun
gehabt. Er hatte sich für Mathematik und Ingenieurwesen interessiert. Doch als ihn in seinem ersten Jahr an der Universität
der Computerbazillus erfasste, befand er sich durch einen glücklichen Zufall an einem der wenigen Orte der Welt, an dem ein
17-Jähriger nach Herzenslust programmieren konnte.
»Wissen Sie, was der Unterschied zwischen Programmieren mit Lochkarten und Programmieren in einem Mehrbenutzersystem ist?«,
fragt Joy. »Dasselbe wie der Unterschied zwischen Briefschach und Blitzschach.« Programmieren war keine frustrierende Übung
mehr. Programmieren machte Spaß.
»Ich habe in einem Wohnheim auf dem Nordcampus gewohnt, und das Computerzentrum war ebenfalls auf dem Nordcampus«, erzählt
er weiter. »Wie viel Zeit ich da verbracht habe? Oh, viel, sehr |45| viel. Das Computerzentrum war rund um die Uhr geöffnet. Ich war oft die ganze Nacht da und bin erst morgens nach Hause. In
einer normalen Woche habe ich damals mehr Zeit im Computerzentrum verbracht als mit meinen Kursen. Wir hatten alle diesen
Albtraum, dass wir völlig vergessen würden, unsere Kurse zu besuchen, oder dass wir vergessen würden, dass wir überhaupt
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