Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht
Basierend auf Hofstedes Daten sind die folgenden fünf Länder die obersten Risikovermeider,
also Länder, die sich am meisten auf Gesetze und Richtlinien verlassen und sich unabhängig von den Umständen am meisten an
fest vorgegebene Verfahren halten:
1. Griechenland
2. Portugal
3. Guatemala
4. Uruguay
5. Belgien
Die folgenden fünf Länder gehen dagegen am besten mit Unsicherheiten um:
49. Hongkong
50. Schweden
51 . Dänemark
|182| 52 . Jamaika
53 . Singapur
Hofstede verband keine Bewertung mit dieser Einteilung, und er behauptete auch nicht, dass die Position eines bestimmten Landes
in seiner Aufstellung die Angehörigen dieser Kultur auf ein bestimmtes Verhalten festlegt. So lassen sich beispielsweise auch
in Guatemala ausgesprochene Individualisten finden.
Stattdessen verbirgt sich in seinen Kulturdimensionen eine ähnliche Erkenntnis wie in der Untersuchung, die Nisbett und Cohen
auf den Fluren der University of Michigan durchführten. Jeder von uns hat seine eigene Persönlichkeit. Doch unter deren Oberfläche
liegen Neigungen, Annahmen und Reflexe, die wir aus der Geschichte derjenigen Gemeinschaft übernehmen, in der wir aufgewachsen
sind – die Unterschiede, die sich daraus ergeben, sind zum Teil äußerst spezifisch.
Nehmen wir beispielsweise Belgien und Dänemark. Die beiden Länder liegen eine Flugstunde auseinander, Dänen und Belgier sehen
sich rein äußerlich nicht unähnlich, und wenn man an einer Straßenecke in Kopenhagen steht, dann unterscheidet sich diese
nicht entscheidend von einer Straßenecke in Brüssel. Aber hinsichtlich der Risikobereitschaft könnten die Unterschiede kaum
größer sein. In diesem Punkt haben Dänen offenbar mehr mit Jamaikanern gemeinsam als mit einigen ihrer europäischen Nachbarn.
Dänemark und Belgien sind Teil derselben liberalen und demokratischen Tradition Europas, doch sie unterscheiden sich hinsichtlich
ihrer Geschichte, ihrer politischen Systeme, ihrer religiösen Traditionen, ihrer Sprache, Ernährung, Architektur und Literatur,
und diese Unterschiede reichen Jahrhunderte zurück. Unterm Strich sorgen diese Unterschiede dafür, dass Dänen in bestimmten
Situationen, die mit Risiken und Unsicherheiten verbunden sind, tendenziell anders reagieren als Belgier.
Die interessanteste von Hofstedes Kulturdimensionen ist jedoch eine, die er »Machtdistanz« nennt. Hinter diesem Schlagwort
verbirgt |183| sich die Einstellung gegenüber Hierarchien, und insbesondere die Frage, welchen Wert eine bestimmte Kultur der Autorität beimisst.
Um dies zu messen, fragte Hofstede zum Beispiel: »Wie häufig kommt es Ihrer Erfahrung nach dazu, dass sich ein Mitarbeiter
nicht traut, einem Vorgesetzten mitzuteilen, dass er anderer Meinung ist?« Oder: »Inwieweit akzeptieren oder erwarten weniger
einflussreiche Angehörige einer Organisation oder eines Unternehmens, dass die Macht ungleich verteilt ist? Inwieweit werden
ältere Menschen geachtet und respektiert? Haben Inhaber einer gehobenen Position ein Anrecht auf bestimmte Privilegien?«
In seinem Klassiker
Lokales Denken, globales Handeln
schreibt Hofstede:
In Ländern mit geringer Machtdistanz schämen sich Führungspersonen ihrer Macht geradezu und versuchen, diese wenn irgend möglich
herunterzuspielen. In Schweden (geringe Machtdistanz) hörte ich vom Dekan einer Universität, wenn er Macht ausüben müsse,
versuche er, nicht mächtig zu wirken. Führungspersonen betonen die Informalität und verzichten auf formale Insignien der Macht.
In Österreich (geringe Machtdistanz) fuhr Kanzler Bruno Kreisky häufig mit der Straßenbahn ins Büro. Im Jahr 1974 traf ich
Joop den Uyl, den Premierminister der Niederlande (geringe Machtdistanz), auf einem Campingplatz in Portugal, wo er mit seinem
Wohnmobil Urlaub machte. Dass sich die Mächtigen aus Ländern wie Frankreich oder Belgien (große Machtdistanz) so verhalten
würden, ist dagegen eher unwahrscheinlich. 26
Wie Sie sich denken können, machten Hofstedes Erkenntnisse großen Eindruck auf die Angehörigen der Luftfahrtindustrie. Schließlich
ging es in ihrem Kampf gegen Indirektkeit und für Teamarbeit |184| um nichts anderes als um die Verringerung der Machtdistanz im Cockpit. Hofstedes Frage – »Wie häufig kommt es Ihrer Erfahrung
nach dazu, dass ein Mitarbeiter sich nicht traut, einem Vorgesetzten mitzuteilen, dass er anderer Meinung ist?« – war genau
die Frage, die Experten den
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