Ueberflieger
Rahmenbedingungen, die es hervorgebracht haben, längst verschwunden sind. Unser kulturelles Erbe ist derart zentral für unsere Einstellungen und unser Verhalten, dass wir unsere Welt ohne es gar nicht verstehen können. 22
Im ersten Teil dieses Buches haben wir uns angesehen, wie sich Erfolg aus einer stetigen Akkumulation von Vorteilen ergibt: Wann und wo wir zur Welt kommen, wie unsere Eltern ihren Lebensunterhalt verdienen, unter welchen Umständen wir aufwachsen – all das wirkt sich entscheidend darauf aus, wie erfolgreich wir im Leben sind. Im zweiten Teil dieses Buches gehen wir der Frage nach, inwieweit Traditionen und Einstellungen, die wir von unseren Vorfahren erben, dieselbe Rolle spielen. Können wir lernen, warum Menschen erfolgreich sind, und können wir die Erfolgschancen von anderen verbessern, wenn wir ihr kulturelles Erbe ernst nehmen? Ich glaube ja.
20
In seinem Buch
Albion’s Seed: Four British Folkways in America
stellt David Hackett Fischer überzeugend dar, warum das kulturelle Erbe lange Schatten wirft. (Wenn Sie mein Buch
Tipping Point
kennen, dann wissen Sie, dass die Darstellung von Paul Revere auf Fischers Buch
Paul Revere’s Ride
basiert.) Fischer zeigt, dass in den ersten anderthalb Jahrhunderten der Besiedlung vier klar zu unterscheidende Einwanderergruppen von den britischen Inseln nach Nordamerika kamen: zuerst die Puritaner, die sich in den Dreißigerjahren des 17. Jahrhunderts von East Anglia kommend in Massachusetts niederließen; dann die Adeligen und die Pachtsklaven, die Mitte des 17. Jahrhunderts aus Südengland nach Virginia kamen; die Quäker, die Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts aus den Midlands nach Delaware auswanderten; und schließlich die keltischstämmigen Auswanderer aus Südschottland und Nordirland, die im 18. Jahrhundert in den Appalachen siedelten. Fischer weist nach, dass diese vier Regionen bis heute durch die Kultur ihrer jeweiligen britischen Einwanderer geprägt werden.
21
Cohen hat zahlreiche Experimente durchgeführt, um diese Charaktereigenschaften der Südstaatler nachzuweisen, und stößt jedes Mal auf das gleiche Phänomen. »In einem Experiment haben wir unsere Versuchsteilnehmer fortwährend belästigen lassen«, berichtet er. »Sie kommen ins Labor und sollen ein Bild zu einer Kindheitserinnerung zeichnen. Neben ihnen sitzt einer unserer Mitarbeiter und stört sie ununterbrochen. Er unternimmt alles, um die Testperson zu ärgern. Er zerknüllt seine Zeichnung, wirft sie in Richtung Papierkorb und trifft dabei die Testperson. Er nimmt ihm die Stifte weg und gibt sie ihm nicht wieder. Er nennt unsere Testperson ›Schleimer‹ und sagt: ›Ich schreib deinen Namen auf dein Bild‹ und schreibt ›Schleimer‹ unter die Zeichnung. Studenten aus dem Norden neigen dazu, ihre Verärgerung zu zeigen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, dann nimmt ihr Ärger wieder ab. Südstaatler reagieren zunächst weniger verärgert, doch irgendwann holen sie die Nordstaatler ein und lassen sie weit hinter sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in die Luft gehen, ist erheblich größer, sie zeigen weit größere Ausschläge und reagieren viel explosiver.«
22
Wie werden diese Verhaltensweisen von einer Generation zur anderen weitergegeben? Durch gesellschaftliches Erbe. Denken Sie beispielsweise an Dialekte, die über lange Zeiträume hinweg erhalten bleiben. Die Sprache der Appalachenbewohner erinnert noch heute in vielem an die der ersten schottisch-irischen Siedler. Die Mechanismen, die für die Weitergabe von sprachlichen Mustern verantwortlich sind, spielen vermutlich auch bei der Weitergabe von emotionalen und Verhaltensmustern eine Rolle.
159
198
159
198
false
|159| Kapitel 7
Flugzeugabstürze und Kultur
»Kapitän, das Wetterradar hat uns heute sehr geholfen.«
1.
Am Morgen des 5. August 1997 wachte der Flugkapitän des Fluges 801 der Korean Airlines um 6 Uhr auf. Seine Familie gab den Ermittlern später zu Protokoll, an diesem Morgen sei er für eine Stunde ins Fitnessstudio gegangen und habe nach seiner Rückkehr den Plan für den Nachtflug nach Guam studiert. Um 3 Uhr nachmittags sei er nach Seoul gefahren, früh genug, so seine Frau, um seine Vorbereitungen im Kimpo International Airport fortzusetzen. Er war seit vier Jahren bei Korean Airlines beschäftigt und zuvor Pilot der südkoreanischen Luftwaffe gewesen. Insgesamt hatte er 8 900 Stunden Flugerfahrung, davon 3 200 auf Jumbojets. Einige Monate zuvor war er von seiner
Weitere Kostenlose Bücher