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Ueberflieger

Titel: Ueberflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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den Piloten das, was Eishockeyspieler, Softwareentwickler und Unternehmensanwälte auf ihrem Weg zum Erfolg auch bekamen: eine Chance, ihr Verhältnis zu ihrer Arbeit zu verändern.
    Nach seinem Abschied von Korean Air half Greenberg beim Aufbau einer Luftfrachtgesellschaft namens Cargo 360 und nahm eine Reihe koreanischer Piloten mit. Es waren durchweg Bordingenieure, die in der strengen Hierarchie bei Korean Air hinter dem Kapitän und dem Ersten Offizier die Nummer drei gewesen waren. »Diese Jungs hatten bis zu 15 Jahre lang in ihrer alten Umgebung bei Korean Air gearbeitet. Dort hatten sie ihre untergeordnete Rolle akzeptiert und am unteren Ende der Leiter gestanden. Wir haben sie neu ausgebildet und in westliche Mannschaften gesteckt. Sie waren ein voller Erfolg. Jeder Einzelne hat seinen Stil verändert. Sie übernehmen die Initiative. Sie tragen ihren Teil. Sie warten nicht, dass ihnen jemand Anweisungen gibt. Es sind erfahrene |196| Leute, zum Teil Mitte 50, mit einer langen Geschichte in einem bestimmten Kontext, die ihren Job neu gelernt haben und jetzt erfolgreich in einem westlichen Cockpit ihre Arbeit tun. Wir haben sie aus ihrer Kultur herausgeholt und sie neu geprägt.«
    Dies ist ein außerordentlich befreiendes Beispiel. Wenn wir verstehen, was einen guten Piloten ausmacht – wenn wir verstehen, wie wichtig Kultur, Geschichte und Umwelt für den beruflichen Erfolg des Einzelnen sind –, dann müssen wir nicht an einer Fluggesellschaft verzweifeln, deren Piloten Berge rammen. Wir haben eine Möglichkeit, die Erfolglosen erfolgreich zu machen.
    Aber dazu müssen wir offen mit einem Thema umgehen, das wir allzu oft lieber ignorieren würden. Als Boeing im Jahr 1994 den ersten Sicherheitsbericht veröffentlichte, in dem das Unternehmen einen klaren Zusammenhang zwischen der Anzahl der Flugzeugkatastrophen eines bestimmten Landes und den Hofstedeschen Kulturdimensionen herstellte, wanden sich die Wissenschaftler, um niemandem auf die Zehen zu treten. »Wir behaupten nicht, dass die beiden zusammenhängen, aber wir glauben, dass ein Zusammenhang besteht«, formulierte Boeings leitender Sicherheitsingenieur. Aber warum so ängstlich? Warum ist es so schwer anzuerkennen, dass jeder von uns einer Kultur mit ihren ganz eigenen Stärken und Schwächen, ihren Neigungen und Voreingenommenheiten angehört? Wir können nicht so tun, als sei jeder und jede von uns lediglich das Produkt seiner und ihrer persönlichen Erfahrungen. Wenn wir die Kultur ignorieren, fallen Flugzeuge vom Himmel.
    14.
    Zurück ins Cockpit.
    »Das Wetterradar hat uns heute sehr geholfen.« Das sagt heute kein Pilot mehr.
    Doch wir schreiben das Jahr 1997, und bei Korean Airlines nimmt man die Machtdistanz sehr ernst. Der Kapitän ist müde und hört nicht, was der Bordingenieur ihm wirklich mitteilen will.
    |197| »Ja«, erwidert er. »Es ist sehr nützlich.« Er hört nicht einmal zu.
    Die Maschine fliegt Drehfunkfeuer nach, und das Drehfunkfeuer steht auf einem Berg. Die Wolken haben sich nicht gelichtet. Die Piloten sehen nichts. Der Kapitän fährt das Fahrgestell und die Landeklappen aus.
    Um 1:41:48 sagt der Kapitän: »Scheibenwischer an«, und der Bordingenieur schaltet die Scheibenwischer ein. Es regnet.
    Um 1:41:59 fragt der Erste Offizier: »Nicht in Sicht?« Er sucht die Landebahn und kann sie nicht entdecken. Seit geraumer Zeit hat er ein flaues Gefühl in der Magengegend. Eine Sekunde später meldete sich die elektronische Stimme der Höhenwarnung: »500 Fuß«. Das Flugzeug befindet sich 160 Meter über dem Boden. Der Boden, das ist die Flanke von Nimitz Hill. Doch die Mannschaft ist verwirrt, denn sie nimmt an, der Boden sei die Landebahn. Aber wieso sehen sie die Landebahn denn nicht? Mit erstaunter Stimme fragt der Bordingenieur: »Eh?« Sie können sich vielleicht vorstellen, wie es in den Köpfen der Besatzungsmitglieder rattert, während sie versuchen, ihre Annahme über die Position des Flugzeugs mit der Information ihrer Instrumente in Einklang zu bringen.
    Um 1:42:19 sagt der Erste Offizier: »Führen wir einen Fehlanflug durch.« Er hat endlich von Andeutung auf Vorschlag umgeschaltet und will die Landung abbrechen. Die Ermittler sollten später zu dem Schluss kommen, dass die Zeit ausgereicht hätte, um in Steigflug überzugehen und Nimitz Hill auszuweichen, wenn er in diesem Moment die Kontrolle übernommen hätte. In ihrer Ausbildung lernen Erste Offiziere, genau das zu tun, wenn sie der Ansicht sind, dass der

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