Ueberflieger
Offizier und der Bordingenieur vor dem Kapitän. Dann schüttelten sie einander die Hände.
Cheo eom boeb seom
ni da
, sagte der Copilot vermutlich respektvoll. »Es ist das erste Mal, dass wir uns treffen.« Das Koreanische kennt nicht weniger als sechs Anredeformen, die sich nach dem Verhältnis zwischen Sprecher und Angesprochenem richten: förmliche Hochachtung, formlose Hochachtung, offen, vertraut, intim und informell. Der Erste Offizier hätte es niemals gewagt, dem Kapitän gegenüber eine der vertrauteren Anredeformen zu wählen. Die koreanische Kultur legt großen Wert darauf, dass der relative Status zwischen zwei Gesprächspartnern respektiert wird.
Der koreanische Linguist Ho-min Sohn schreibt:
Bei Tisch wartet die Person mit dem niedrigeren Status, bis sich die Person mit dem höheren Status setzt und zu essen beginnt, aber nicht umgekehrt. In der Gegenwart von Personen mit höherem Status darf man nicht rauchen. Trinkt eine Person mit niedrigerem Status in Gegenwart einer höher gestellten Person, verbirgt sie ihr Glas und wendet sich ab … Bei der Begrüßung eines Höhergestellten (nicht aber eines Untergeordneten) müssen sich Koreaner verbeugen, sie müssen aufstehen, wenn ein Höhergestellter auf der Bildfläche erscheint, und sie dürfen nicht vor einem offensichtlich Höhergestellten vorübergehen. Das Sozialverhalten richtet sich nach Alter und Rang; ein Sprichwort besagt: chanmul to wi alay ka issta – selbst beim Trinken von kaltem Wasser gibt es eine Ordnung.
Wenn also der Erste Offizier fragt: »Meinen Sie, es wird weiter regnen ? Hier in der Gegend?«, dann will er damit sagen: »
Kapitän. Wir
haben uns für eine Sichtlandung entschieden, haben keine Alternative
vorbereitet, und das Wetter ist schlecht. Sie sind der Ansicht,
dass wir rechtzeitig aus den Wolken kommen und die Landebahn
sehen werden. Aber was ist, wenn das nicht passiert? Es ist dunkel, es
regnet, und der Gleitwegsender ist abgeschaltet
.«
Aber das kann er so nicht sagen. Also macht er eine Andeutung – |192| weiter darf er seinem Vorgesetzten gegenüber seiner Ansicht nach nicht gehen. In der Folge wird der Erste Offizier das Wetter nicht mehr erwähnen.
Wenig später stößt das Flugzeug für einen kurzen Moment tatsächlich durch die Wolkendecke, und die Piloten sehen die Lichter in der Ferne.
»Ist das Guam?«, fragt der Bordingenieur. Nach einer Weile sagt er: »Es ist Guam, Guam.«
Der Kapitän lacht leise. »Gut!«
Aber nichts ist gut. Es ist eine Illusion. Sie sind nur für einen kurzen Moment aus den Wolken aufgetaucht. Sie sind noch 30 Kilometer vom Flughafen entfernt, und vor ihnen liegt schlechtes Wetter. Der Ingenieur weiß das, denn er ist dafür verantwortlich, die Wetterbedingungen im Auge zu behalten. Also entscheidet er sich nun, das Wort zu ergreifen.
»Das Wetterradar hat uns heute sehr geholfen«, sagt er.
Das Wetterradar hat uns geholfen?
Eine zweite Andeutung aus dem Cockpit. Der Bordingenieur will nichts anderes sagen als der Erste Offizier vor ihm.
Wir haben heute Nacht nicht die Bedingungen
, als dass wir uns bei der Landung allein auf die Sicht verlassen
könnten. Schauen Sie auf den Radarschirm: Vor uns liegt schlechtes
Wetter.
Für westliche Ohren mag es befremdlich klingen, dass der Bordingenieur das Thema nur ein einziges Mal anspricht. Westliche Kommunikation ist »sprecherzentriert«, wie Linguisten sagen, das heißt, es liegt in der Verantwortung des Sprechers, seine Botschaft klar und unmissverständlich zu kommunizieren. Selbst im Falle des tragischen Unfalls der Air-Florida-Maschine, vor dem der Erste Offizier die Gefahren der Vereisung ebenfalls nur andeutet, setzt er immerhin vier Mal an, formuliert seine Warnung immer neu und versucht, sich verständlich zu machen. So sehr ihn die Machtdistanz zum Kapitän hemmt, er befindet sich immer noch im Kontext einer westlichen Kultur, die davon ausgeht, dass im Falle eines Missverständnisses der Sprecher der Verantwortliche ist.
|193| Doch die koreanische Kultur ist, wie viele andere asiatische Kulturen, hörerzentriert. Der Angesprochene ist dafür verantwortlich, das Gesagte zu verstehen. Aus seiner Sicht hat sich der Bordingenieur schon sehr weit vorgewagt.
Zur Verdeutlichung zitiert Sohn ein Gespräch zwischen einem Angestellten (Kim) und seinem Abteilungsleiter (Kwacang):
Kwacang: Es ist kalt und ich habe Hunger.
[Bedeutung: Warum kaufen Sie mir nicht etwas zu essen oder zu trinken?]
Kim: Wie wäre es mit einem Glas
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