Ueberflieger
ausgemacht haben. Die Weißen waren Unternehmer und Plantagenbesitzer. Die Ärzte und Anwälte der Kolonie waren alles Farbige. Sie haben auch die Schulen geleitet. Der Bischof von Kingston war ein brauner Mann. Sie waren zwar nicht die wirtschaftliche, wohl aber die kulturelle Elite.«
Die nachfolgende Tabelle zeigt, wie sich jamaikanische Anwälte und Abgeordnete Anfang der Fünfzigerjahre auf unterschiedliche Hautfarben verteilten. »Weiß und hell« meint Jamaikaner, die entweder vollständig weiß waren oder deren schwarzes Erbe nicht mehr erkennbar war. »Olivfarben« befand sich eine Stufe darunter, »hellbraun« wiederum eine Stufe weiter unten (auch wenn vermutlich nur Jamaikaner diesen Unterschied erkennen können). Dabei sollten Sie allerdings bedenken, dass die »Schwarzen« in den Fünfzigerjahren noch immer rund 80 Prozent der gesamten Bevölkerung ausmachten.
|246|
Parlamentsabgeordnete (Prozentanteil) 33
Sehen Sie sich an, welchen Vorteil die farbige Minderheit durch ihren geringen Anteil weißer Hautfarbe erhielt. Wer einen Vorfahr hatte, der im Haus und nicht auf den Feldern gearbeitet und im Jahr 1826 sämtliche Bürgerrechte erhalten hatte, der geachtet und nicht versklavt worden war und der eine Möglichkeit bekommen hatte, sinnvolle Arbeit zu tun, statt auf den Zuckerrohrfeldern zu schuften – wer einen solchen Vorfahr hatte, der hatte auch noch zwei oder drei Generationen später bessere Aussichten auf beruflichen Erfolg.
Mit anderen Worten: Wenn Daisy Ford große Hoffnungen in die Zukunft ihrer Töchter setzte, dann kam das nicht von ungefähr. Sie stand in der Tradition eines privilegierten Erbes. Ihr älterer Bruder Rufus, bei dem sie als Kind lebte, war Lehrer und ein gebildeter Mann. Ihr Bruder Carlos lebte eine Zeitlang auf Kuba und eröffnete nach seiner Rückkehr nach Jamaika eine Textilfabrik. |247| Ihr Vater Charles Ford war Lebensmittelhändler. Ihre Mutter Ann war eine geborene Powell und stammte damit aus einer weiteren aufstiegsorientierten farbigen Familie – zwei Generationen später sollte diese Familie Colin Powell hervorbringen. Ihr Onkel Henry war Großgrundbesitzer. Ihr Großvater John – der Sohn von William Ford und seiner afrikanischen Konkubine – wurde Prediger. Nicht weniger als drei Mitglieder der erweiterten Familie Ford erhielten Rhodes-Stipendien. Wenn meine Mutter William MacMillan, den Unruhen des Jahres 1937 und Mr. Chance zu Dank verpflichtet war, dann stand Daisy in der Schuld von Rufus, Carlos, Ann, Charles und John.
4.
Meine Großmutter war eine bemerkenswerte Frau. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass der stetige Aufstieg der Fords mit einem moralisch nicht ganz unproblematischen Akt begann: Auf dem Sklavenmarkt von Alligator Pond betrachtete William Ford meine Ur-Ur-Ur-Großmutter voller Begierde und kaufte sie.
Die Sklaven, die nicht zu den Auserwählten gehörten, hatten ein kurzes und unglückliches Leben. Den Plantagenbesitzern auf Jamaika erschien es sinnvoll, das meiste aus ihrem menschlichen Besitz herauszuholen, solange dieser noch jung war. Sie trieben die Sklaven an, bis sie entweder nutzlos oder tot waren, und kauften sich dann einfach auf dem Markt eine neue Ladung. Für sie stellte es keinerlei Widerspruch dar, die Kinder zu lieben, die sie mit einer Sklavin hatten, und gleichzeitig ihre übrigen Sklaven als Besitzgegenstände anzusehen. William Thistlewood, der Plantagenbesitzer, der seine sexuellen Abenteuer schriftlich festhielt, hatte Zeit seines Aufenthalts in Jamaika eine Beziehung mit einer Sklavin namens Phibbah, die er allen Berichten zufolge liebte und die ihm einen Sohn schenkte. Doch seinen Feldsklaven gegenüber verhielt er sich unmenschlich. Für entlaufene Sklaven hatte er eine Strafe erfunden, die er »Derbys Dosis« nannte. Der Sklave wurde geschlagen |248| , dann wurden ihm Salz, Zitronensaft und Pfeffer in die offenen Wunden gerieben. Ein anderer Sklave musste ihm in den Mund koten, danach wurde er vier bis fünf Stunden lang geknebelt.
Kein Wunder also, dass die farbigen Klassen Jamaikas ihre Hellhäutigkeit zum Fetisch stilisierten. Sie war ihr entscheidender Vorteil. Daher unterschieden sie peinlich genau zwischen feinsten Hautschattierungen und spielten das Farbenspiel mindestens ebenso schonungslos wie die Weißen. Der jamaikanische Soziologe Fernando Henriques beschrieb dies so:
Wenn, wie es so oft der Fall ist, die Kinder einer Familie unterschiedlicher Hautfarbe sind, werden die hellsten auf Kosten
Weitere Kostenlose Bücher