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Ueberflieger

Titel: Ueberflieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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war Professor der University of Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg. MacMillan war seiner Zeit weit voraus und zutiefst besorgt über die soziale Benachteiligung der südafrikanischen Schwarzen. In der Karibik stellte er dieselben Überlegungen vor wie zu Hause in Südafrika.
    MacMillans Hauptsorge galt dem jamaikanischen Schulsystem. Die allgemeine Schulbildung – wenn man das, was im Schuppen neben dem Haus meines Großvaters geschah, als »allgemeine Schulbildung« bezeichnen will – endete mit dem vierzehnten Lebensjahr. Auf Jamaika gab es weder höhere Schulen noch Universitäten. Wer akademischen Ehrgeiz verspürte, nahm nach der Schule bei einem Lehrer Privatunterricht und bekam mit etwas Glück einen Platz in einem Lehrerkolleg. Schüler mit weitergehenden Ambitionen mussten sich an einer Privatschule bewerben und nach dem Abschluss in einer Universität in den Vereinigten Staaten oder England studieren.
    Doch Stipendien waren rar, und nur einige wenige Privilegierte konnten sich die Gebühren der Privatschulen leisten. »Der Weg von der Grundschule in die weiterführenden Schulen ist schmal und steinig«, schrieb MacMillan später in seinem Buch
Warning
from the West Indies
, einer vernichtenden Kritik der britischen Kolonialpolitik. Das Schulsystem tue nichts für die »bescheidensten« Klassen. Er schrieb weiter: »Diese Schulen tragen zur Vertiefung und Verschärfung der sozialen Ungleichheit eher noch bei.« Wenn die Regierung den Menschen keine Chancen gebe, dann stünde ihr Ärger ins Haus, warnte er.
    Kaum ein Jahr nach der Veröffentlichung von MacMillans Buch wurde die Karibik von einer Welle der Unruhen und Proteste erfasst. In Trinidad kamen 14 Menschen ums Leben, und 59 wurden verletzt. Auf Barbados fielen ebenfalls 14 Menschen den Unruhen |240| zum Opfer, und 47 erlitten Verletzungen. Jamaika wurde durch eine Reihe von Streiks lahmgelegt, und die Kolonialverwaltung verhängte den Ausnahmezustand. Erschrocken nahm sich die britische Regierung MacMillans Vorschläge zu Herzen und richtete unter anderem Stipendien ein, die es akademisch interessierten Schülern ermöglichen sollten, eine der Privatschulen zu besuchen. Die ersten Stipendien wurden im Jahr 1941 vergeben. Im folgenden Jahr nahmen meine Mutter und ihre Schwester an den Auswahlprüfungen teil. Auf diese Weise kamen sie zu ihrer Hochschulzulassung – wären sie nur zwei oder drei Jahre früher zur Welt gekommen, hätten sie niemals eine vollständige Schulausbildung erhalten. Dass das Leben meiner Mutter diese Wende nahm, hat sie ihrem Geburtsjahr, den Unruhen des Jahres 1937 und nicht zuletzt William MacMillan zu verdanken.
    Wenn ich geschrieben habe, meine Großmutter Daisy sei »für ihre Schönheit berühmt« gewesen, dann war dies eine achtlose und herablassende Beschreibung. Daisy war eine entschlossene Frau. Wenn meine Mutter und ihre Schwester Harewood verließen, um Saint Hilda’s zu besuchten, dann hatten sie das vor allem ihr zu verdanken. Mein Großvater mag ein stattlicher und gelehrter Mann gewesen sein, doch er war ein Idealist und Träumer, der sich in seinen Büchern vergrub. Er mochte seinen Töchtern das Allerbeste wünschen, doch er hatte weder die Energie noch die Vision, diese Wünsche in die Tat umzusetzen. Anders meine Großmutter. Saint Hilda’s war ihre Idee: Einige der bessergestellten Familien aus der Gegend hatten ihre Töchter dorthin geschickt, und sie wusste, was eine gute Schule wert war. Ihre Töchter spielten nicht mit den anderen Kindern im Dorf, sondern lasen Bücher. Da Latein und Mathematik Voraussetzung für den Besuch einer höheren Schule waren, ließ sie ihre Töchter von Erzdiakon Hay unterrichten.
    »Wenn du meine Mutter gefragt hättest, was sie sich für ihre Töchter wünscht, dann hätte sie gesagt, sie will, dass wir da rauskommen«, erinnert sich meine Mutter. »Sie meinte, Jamaika habe uns nicht genug zu bieten. Wenn wir eine Möglichkeit hatten, weiter |241| zur Schule zu gehen, und wenn wir diese Möglichkeit nutzen konnten, dann stand uns die ganze Welt offen.«
    Als die Mädchen die Ergebnisse der Auswahlprüfung erhielten, sollte nur meine Tante ein Stipendium bekommen, nicht aber meine Mutter. Das ist ein weiterer Punkt, den ich in meiner ersten Fassung ihrer Geschichte unterschlagen habe. Meine Mutter erinnert sich, wie ihre Eltern in der Tür standen und sich unterhielten. »Wir haben kein Geld mehr.« Sie hatten die Schulgebühren für das erste Jahr bezahlt,

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