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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Abfallhaufen.
    Christoff hatte noch Zeit. Erst zum Mittag war er ins Kloster der Dominikaner befohlen worden. Vor dem Brett neben dem Eingang des Rathauses standen Leute, wärmten sich an der Sonne und studierten die Bekanntmachungen. Unbemerkt trat der Henker hinter die kleine Gruppe, Brot- und Bierpreise konnte er gleich entziffern, die hingen schon einen Monat aus, und Zahlen waren einfacher als Wörter.
    Ein neuer Aushang. »Mittwoch, der 16. Mai.« Ist von gestern, dachte er. Angestrengt setzte er Buchstaben an Buchstaben zu dem Wort »Gaffelknecht« zusammen und wiederholte es halblaut. Der Sattelmacher direkt vor ihm wandte sich um, zuckte zusammen, stieß seinen Nachbarn an, das gleiche Entsetzen, und beide wichen zur Seite, die anderen wurden aufmerksam, sahen zu Boden und entfernten sich wie von eiligen Geschäften gehetzt.
    Nur ein Schiffsknecht blieb übrig, er blickte sich kurz um und las weiter. Ein Fremder, überlegte Christoff. Im gleichen Moment, als hätte der Anblick erst einen Weg zum Begreifen suchen müssen, drehte der Bursche wieder den Kopf. »Heilige Mutter!« Die Augen tasteten sich von der Kappe hinunter über das Rot, und der Mann erbleichte. »Ich, ich muss zum Hafen«, stammelte er.
    »Warte noch!« Heftrich hob nur die Hand, es genügte, und der Schiffsknecht rührte sich nicht. »Kannst du lesen?« Fahrig nickte der Bursche, seine Augen flohen über den Platz in die sichere Judengasse hinein.
    »Dann sag, was da steht.«
    Er zog den Kopf ein. »Da steht, die von der Gaffel und die Trommler. Nein. Es wird verboten, nach dem Schießspiel zu trommeln.«
    »Was?«
    »Nach zehn Uhr dürfen sie nicht mehr mit der Trommel umziehen.«
    Der Henker ballte die Faust. Hastig fuhr der Bursche fort: »Sonst wird die Trommel beschlagnahmt, und wer’s war, bekommt einen Monat bei Wasser und Brot.«
    »So.« Unzufrieden rieb Christoff Heftrich den Finger über seinen breiten Nasenrücken. Der Schiffsknecht tauchte an ihm vorbei, schlich, ging, am Ende des Platzes rannte er davon.
    »Ruhestörer. Bis ich das begreife.« Christoff kehrte sich ab. Was wirklich in der Stadt los ist, das behalten sie für sich. Während er den Weg zum Kloster einschlug, spie er seinen Ärger auf den Boden. Nie wurde die Arbeit des Scharfrichters vom Rat gewürdigt, auf keinem Anschlag hatte er je seinen Namen gelesen. Mir bringt der Greve nur einen Zettel mit den Anweisungen und verbietet mir, darüber zu reden, als ob ich ein Heimlicher wär. Diese Befehle sollten sie aushangen, wen ich peitsche, wem ich das Ohr schlitze. Zumindest Dank oder ein Lob hatte ich schon mal verdient, so ganz offen am Brett. Ohne mich gibt es in Köln keine Ordnung, das will nur keiner begreifen.
    Im Garten des Klosters schritten Greve und Inquisitor gemächlich auf und ab, ihre Mienen schienen zufrieden.
    Ich dachte, sie verhören einen Ketzer, wunderte sich Christoff. Ungelenk hob er die Hand, wagte nicht, näher zu gehen, endlich hatten sie ihn bemerkt. Noch ein kurzer Wortwechsel zwischen dem Greven und Jakob von Hochstraten, ein Händedruck, und eilig kam der Greve auf den Scharfrichter zu. »Komm mit Ich bring dich zu ihm.«
    Im Vorübergehen gelang Heftrich ein kurzer Blick in den Hörsaal, keine Studenten, an Verhörtagen fielen die Vorlesungen aus. In einem düsteren Flur hielt der Greve an und deutete mit dem Daumen auf eine der Zellentüren. »Dieser Vikar wollte Bedenkzeit. Drei Tage haben die Herren ihn verhört. Unser ehrenwerter Inquisitor meint, dass er gründlich ermahnt werden muss, dann ist er so weit.«
    Christoff rieb die Kappe über seinen glatten Schädel. »Meine Werkzeuge sind im Kunibertsturm. Schafft ihn rüber. Nach meiner Vorführung gibt er auf.«
    »Nein, bei dem Kerl wird das Zeigen gar nicht nötig sein. Du genügst.« Der Greve ordnete an, dass der Henker in die Zelle gehen und eine Stunde lang nur dastehen solle.
    »Nicht reden, nur stehen und diesen Klopreis ansehen.«
    »Bis ich das begreife?« Das Misstrauen war geweckt. »Ich darf ihm nichts zeigen?«
    »Hinstellen sollst du dich, du Hanss«, fauchte der Greve, doch Christoff blieb ruhig. »Und wie wird so was bezahlt?«
    Empört trat der Greve einen Schritt zurück. »Das ist keine Arbeit, Kurzab.«
    Komm mir nicht so, Christoff wandte sich ab. Dieser Gauner rechnet mit den Kutten ab und setzt sich dann auf das Geld. Nicht mit mir.
    »Also gut. Lohn für den ersten Grad.«
    Der Henker grinste. Vor dem Anblick schirmte sich der Greve mit der Hand, die

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