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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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stammelte sie. »Die Spanischen Stiefel.«
    Befriedigt stemmte er die Hände auf seine Knie. »Sie zwicken die Waden, bis die Knochen zerbrechen. Das ist der Anfang.« Er sann vor sich hin. »Daumenschrauben. Nein, vorher werden mit Eisenzangen die Nägel an Zehen und Fingern entfernt. Oh, der Dämon versteckt seine Zauberkräuter überall. Am Seil wird die Satansbuhle hochgezogen. Wo sind die Hexenmittel verborgen? Von jeder Stelle des Körpers müssen die Haare abrasiert werden. Wo ist das Stigma Diabolicum? Alle Flecken und Blutschwämme, die Warzen müssen angestochen werden, nur das Teufelsmal blutet nicht!«
    »Schweig! Der Teufel hat keine Macht über uns!«, schrie Wendel außer sich, der Abscheu hatte die Angst erstickt.
    Der Mönch blähte die Wangen, freundlich, beinah sanft blickte er Wendel an. »Ich weiß, meine Tochter. Noch nicht. Sag mir doch, wo sind der Lehrer und dein Kaplan?«
    Die Mutter krallte ihre Hände in den Boden. »Bitte, Kind, sag es, wir dürfen uns nicht versündigen. Ich flehe dich an, sag es!«
    Nein, er hat nichts. Er sitzt da und will uns erschrecken. Verzweifelt suchte Wendel nach Kraft. Wenn er wirklich etwas gegen uns Vorbringen könnte, hätte er die Büttel gleich mitgebracht. Die zwei am Fenster? Ihre Augen hefteten sich an die Mäntel der Fremden. Keine Büttel, die Umhänge der Gewaltknechte kenne ich genau. Warum stehen sie einfach nur da? Ich muss vorsichtig sein. »Der Lehrer ist gestern schon fort.«
    »Wohin?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und dieser Klopreis?«
    Laut schluchzte die Mutter auf. »Er ist nicht fort. Er kommt zurück!«, dann weinte sie.
    Ach, Mutter, du bist so schwach. Wendel blickte auf sie hinunter. Verloren? Johann ist Priester hier in Büderich, er steht unter dem Schutz der Stadt. Nein, weder der Mönch noch die Fremden dürfen ihm etwas antun.
    »Kommt er zurück?«
    Wendel nickte. Mit dem Zeigefinger befahl er sie zu sich. »Noch näher«, und wisperte vertraulich: »Ich habe gehört, du lebst in Sünde?«
    Sein Atem. Sie würgte den Ekel hinunter. »Nein, ehrwürdiger Vater. Mein Herz ist rein.«
    Die Hände schnellten, dicht vor dem Rock, dicht vor ihrem Leib spreizte er die Finger. Wendel schrie, sprang zurück und schützte ihr Kind.
    »Dein Bauch ist es nicht!«, triumphierte er. »Die Leute haben es mir längst erzählt.« Die kleinen Augen glänzten. »Ich sage dir, aus dieser Buhlschaft mit dem Satan wird ein Monstrum geboren werden, zwei Köpfe wird das Balg haben. Dann ist es offenbar, dann bist du überführt, und ich hole dich.«
    Besiegt taumelte Wendel in den Kreis, sank auf einen der Holzklötze und verbarg das Gesicht. Mein Kind, mein kleines Kind.
    Laut schnippte der Mönch mit den Fingern. »Meine Herren Gerichtsboten! Übergebt ihr das Schreiben.«
    Was denn noch, ist es nicht genug? Wendel hob den Kopf, meine Augen bluten, seht ihr das nicht?
    Die Fremden in den gleichen Mänteln traten zu ihr. »Johannes Klopreis, Vikar zu Büderich, hat sich am 20. Mai in Köln einzufinden und muss sich vor der Heiligen Inquisition verantworten.«
    Stumm nahm Wendel das Schreiben, die Siegel prangten wie Blutflecken. Es sind meine Augen, dachte sie.
    »Haltet euch von der Sünde fern, meine Töchter.« Mit diesem Gruß ging er leichtfüßig davon, die Boten folgten ihm.
    Gleißendes Licht fiel durch die geöffnete Tür. Ohne Wolken blendet die Sonne, Adolph. Du sagst »Emmanuel«, wo ist er denn jetzt? Dieses Licht ist zu hell für mich. Wendel schloss die Lider, sah ein Kind mit zwei Köpfen, weitete entsetzt die Augen und schützte sich mit den Händen vor dem grellen Tag.
    Erst nach der Schlucht, angefüllt mit Qual und Schrecken, sagte sie laut: »Mein Sohn ist gesund. Ich weiß es doch, Mutter, hörst du? Mein Sohn ist gesund!«
    Die Mutter antwortete nicht, sie lag zusammengekrümmt am Boden und atmete schwer. Ohne sie noch einmal anzusprechen, stützte Wendel den Kopf in die Hände.
    Als Johann zurückkam, rief er im Hof, ging ins Haus, rief wieder, und endlich fand er die Frauen in der Werkstatt. Auf seine Fragen antwortete Wendel nur, indem sie ihm das Schreiben hinreichte. Johann erbrach die Siegel, las und ließ sich neben Wendel auf den Sitzklotz fallen. »Sie verdächtigen mich der Lutherei. Ich soll widerrufen.«
    »Und Adolph ist fort.«
    Johann suchte ihre Hand. »Wenn sie mich foltern?«
    Fest legte Wendel ihre Hand über seine. »Seit Stunden denke ich und denke, doch es gibt nur einen Sinn. Was sie auch verlangen, Johann.

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