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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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der Kammer geredet.«
    Wendel erklärte, dass die Eltern ihren Sohn dem Lehrer anvertraut hätten. »Er soll lernen und geht mit Adolph Clarenbach nach Osnabrück an die Schule.« Nein, Wesel war nicht mehr sicher für den Schulmeister. Unruhig blickte Wendel nach Büderich hinüber. »Es wird Zeit, Reinhold. Bitte. Ehe die Leute zur Fähre kommen, musst du wieder zurück sein. Er braucht einen Vorsprung, ehe die Abreise bekannt wird.«
    Der Fährmann pfiff zweimal. Sofort traten Clarenbach und der Schüler ins Freie, die Reisebündel in der Hand. Während Reinhold den Jungen schon mit zum Ufer hinunternahm und einen der schwankenden Ruderkähne an Land zog, blieb Wendel und Clarenbach nur der Abschied.
    »Ich komme zurück.«
    »Wir brauchen dich, Adolph.« Sie berührte ihren Bauch. »Wir drei brauchen dich, auch der Sohn.«
    »Weißt du, was das Wort Emmanuel bedeutet?«
    »Nicht jetzt. Jetzt will ich nur lernen, wie ich dich vermissen kann.«
    Er nahm ihre Hand. »Es ist das Dach. Emmanuel heißt: Mit uns ist Gott.« Seine Augen lächelten. »Emmanuel, Wendel.«
    Von der Böschung aus sah sie dem Boot nach. Weit hinter Wesel würde Johann mit den anderen Schülern auf ihn warten. Obwohl der harte Stadtbann durch Fürsprache eines befreundeten Richters gemildert worden war, wollte Clarenbach Wesel nicht betreten. So hatte Johann die jungen Burschen bei ihren Eltern abgeholt, eine ganze Schar, die dem Schulmeister nach Osnabrück folgen wollte. Am Nachmittag würde Johann wieder bei ihr sein.
    Wendel schirmte die Augen, wartete, bis das kleine Boot unterhalb von Wesel das Ufer erreicht hatte und gleich den Weg zurück über das Wasser nahm.
    »Emmanuel, Adolph, ich hoffe es so sehr.«
    Der Gang nach Büderich schien ihr noch mühseliger, so schwer wurden die Füße.
    Nur mit den Augen nahm sie die Kinder auf dem Marktplatz wahr, das Weinhaus, die Zufahrt, ihre Gedanken wanderten neben dem Freund, begleiteten den Lehrer und seine Schüler.
    Die Tür zur Wagnerei stand offen, Wendel wunderte sich nicht, blieb auf der Straße, die hinter Wesel weiter ins Land führte. Osnabrück lag so weit fort. Nur um dem gewohnten Bild Ordnung zu geben, ging Wendel hinüber und wollte die Tür schließen.
    »Sieh an. Sieh an!« Diese Stimme riss Wendel in die Wirklichkeit. »Komm nur näher, meine Tochter!«
    Zitternd betrat sie die Werkstatt, ihr Mund schmeckte schal, wie nach einem giftigen Kraut, das die Zunge vertrocknet.
    Breitbeinig saß der Mönch auf dem Stuhl des Lehrers, den Bauch vorgewölbt thronte er dort und entweihte den Platz. Mitten im Kreis der leeren Sitzklötze lag die Mutter auf den Knien, das Gesicht an den Boden gedrückt. Weiter hinten standen zwei Männer in gleichfarbigen Umhängen und blickten zum Fenster hinaus.
    Wendel schleppte sich bis zu dem Kreis.
    »Wo sind sie?«, stach der Mönch.
    Wendel schwieg.
    Bedächtig lockerte er mit dem Absatz den gestampften Boden, lud Erde auf die maulrunde Spitze und schleuderte die Dreckkrumen über die Mutter, sie beschmutzten ihr Haar. »Nur weil sie demütig ist, weil sie Reue zeigt, bin ich so sanft gestimmt. Doch ich verlange die Wahrheit.« Seine Finger schnellten auf Wendel zu. »Antworte auf meine Frage, ehe meine Christenpflicht mich zwingt.«
    »Was willst du von uns, ehrwürdiger Vater?« Etwas geschah, Wendel begriff nichts, spürte nur, wie das Drohende nach ihr griff. »Wir sind rechtschaffene Leute.«
    Bekümmert lachte er und wrang die Hände, als wasche er sie. »Rechtschaffen? O meine Töchter. Wehe euch, wenn ich das Recht anrufen muss.«
    Er zieht eine Schlinge, ich fühle es. Das Sprechen fiel ihr schwer. »Wir haben kein Verbrechen begangen.«
    »So?« Wie ein ungeduldiges Kind patschte er die Hände. »Ich werde noch herausfinden, ob Einfalt oder Falschheit dich beherrschen.« Seine Stimme wurde zur Klinge. »Kein Verbrechen? Keine Ketzer? Oh, ich weiß, dass sie sogar dem Herzog Sand in die Augen streuen, doch wir Diener der Kirche lassen uns nicht blenden. Und ihr schamlosen Weiber? Wer bereit ist, der Ketzerei zu huldigen, der küsst auch dem Ziegenbock den Hintern!«
    Entsetzt starrte Wendel ihn an. Hexe, hämmerte die Angst, Hexe, allein der gemeldete Verdacht genügte dem Gericht für den Kerker!
    »Ich sehe, auch du hast verstanden, meine Tochter.« Wieder scharrte er Dreck auf den Maulschuh und stieß ihn über die Mutter. »Sag deiner Tochter, welches wunderbare Instrument uns hilft, die Wahrheit zu finden.«
    In den Boden hinein

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