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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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andere zeigte zur Zelle. »Wahrhaftig, du genügst!«, und beeilte sich, am Ende des Flurs rief er: »Bleib, bis ich euch hole.«
    Sorgsam legte Christoff seine Kappe auf einem Fenstersims ab, reckte die Arme, dann stieß er die Tür mit der Faust auf. Der junge Priester schreckte hoch, stolperte rückwärts bis in die hintere Ecke der Zelle, Mund und Augen waren vor Entsetzen geweitet, beim Knall der zuschlagenden Tür zuckte der ganze Körper.
    Der Henker baute sich auf und stand, der nackte Kopf glänzte, in dem schwachen Licht schien seine Kleidung mit Blut gefärbt. Klopreis gelang es nicht, das Zittern niederzukämpfen. »Ist es soweit?«, stammelte er.
    Stumm beobachtete der Scharfrichter den verschreckten Priester. Was der für ein feines Gesichtchen hat! Plötzlich verengte Christoff Heftrich die Augen. Dich kenn ich. Nie vergaß er ein Gesicht. Damals, auf dem Domplatz, als ich die verdammten Bücher verbrennen musste. Du und der Hagere, der hat Bücher genommen, und du warst dabei, dann seid ihr weg. Dein Gesichtchen, ich wusste, dass ich dich noch mal sehe.
    »Warum bist du hier?«, die Stimme gehorchte Klopreis nicht. »Warum stehst du da? Sag ein Wort!«
    Jammer du nur, ich soll nicht reden, was das nutzt, weiß ich nicht.
    Den Rücken an die groben Mauersteine gepresst, verbarg Klopreis die Augen in seiner Armbeuge, nackt zitterte er im Frost. Schweigen.
    Christoff atmete aus. Das ist keine ehrliche Arbeit für einen Scharfrichter. Bis ich das begreife.
    Verzweifelt riss der junge Priester den Arm von seinen Augen. »Du bist nicht der Henker! An deiner Fratze erkenne ich dich!« Er rang die Hände zur Decke, seine Lippen bewegten sich schnell, tonlos, nur das »Amen!« stieß er laut heraus. Starr streckte er die gespreizten Hände vor, um die Pupillen leuchtete das Weiß. »Weg! Du hast keine Macht über mich. Im Namen des Herrn: Weg mit der Fratze!« So verharrte er, wartete.
    Christoff ballte die Faust und rieb die Knöchel an den Schneidezähnen. Du Krötenlaich, dachte er verächtlich, doch seine Ruhe kehrte nicht zurück. Mein Gesicht hat mir der Herrgott gegeben, genau wie er eins für dich ausgesucht hat. »Warte, bis ich dir das Gesicht herrichte!«, drohte er heiser.
    Alle Spannung wich aus dem jungen Priester, seine Arme fielen herab, kraftlos sank ihm der Kopf auf die Brust. »Verzeih.« Er rutschte an den Steinen zu Boden, legte die Stirn auf die Knie und schloss die Hände über seinen Kopf. »O Gott, vergib mir meine Angst«, schluchzte er.
    Bei dem ist mit der Folter nichts zu verdienen. Gut, dass ich den Lohn fürs Stehen bekomme. Der würd gleich beim ersten Grad schon weich, und dafür gibt’s wenig genug. Beim zweiten, besonders beim dritten, bekomm ich ordentlich, manchmal sogar einen halben Gulden am Tag. Christoff blickte auf den Vikar hinunter. Erst bei der Hinrichtung lohnt sich der wie jeder andere.
    Leise trat der Greve in die Zelle, sah den kauernden Priester und nickte dem Scharfrichter zu. »Gut gemacht.« Er fasste Klopreis an der Schulter. »Die Bedenkzeit ist um. Die Herren warten.«
    Gelangweilt lehnte der Henker an der Wand des Hörsaals. Weiter vorne kniete der junge Priester auf zwei Kissen vor dem rotgedeckten Tisch des Inquisitors und der Beisitzer, die Dominikaner kannte Heftrich, nur der Franziskanermönch war ihm fremd. Sie hatten Johannes Klopreis die drei Punkte der Anklage noch einmal vorgelesen und sein Gewissen befragt.
    Der schwört ab, Christoff war sich ganz sicher. Ein Mönch brachte das große Buch mit dem gemalten Kreuz zum Tisch, rückte es vor den Vikar, der richtete den Oberkörper gerade, und während der Inquisitor ihn zum Schwur ermahnte, legte er die Arme auf den Rücken, schob die linke Hand in den rechten Ärmel seiner Kutte.
    Sofort war Heftrich wach, stieß sich von der Wand ab und trat einen Schritt vor, um besser zu sehen. Die linke Hand kam mit einem Zettel wieder zum Vorschein, nur einen kurzen Moment lang konnte Christoff das helle Papierstück erkennen, dann schloss sich die Faust. »Bis ich das begreife«, murmelte er.
    Vorn am Tisch hob der Angeklagte die rechte Hand und legte sie auf das Heilige Buch, die linke Faust auf dem Rücken. »Ich widerrufe«, und er zählte selbst alle Verfehlungen auf.
    Der Henker lehnte sich wieder an die Wand. »Egal, was geht es mich an.«
    »Ich schwöre, dass ich der lutherischen Lehre und anderen Irrungen nicht mehr anhangen werde, widerrufe sie und anerkenne die Heilige Römische Kirche und ihre

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