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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Du bist verantwortlich für dein Gewissen, für unser Kind«, sie stockte und sah ihn an, »auch für mich.«
    Er schlang den Arm um sie, schien ohne Angst. »Ich darf unsern Kampf nicht verraten. Der Hahn soll nur dreimal krähen, ich werde meinen Glauben nicht verleugnen.«
    Sie blieb starr in seiner Umarmung. Über Wendel war die schützende Glocke der vergangenen Monate zerplatzt. »Du musst aufwachen, Johann. Dieser Mönch und seine frommen Spießgesellen wollen dir den Kopf abschlagen!« Johann reckte das Schreiben zur Decke. »Niemals. Ich stehe unter Seinem Schutz, Wendel. Er wird es nicht zulassen, dass mir auch nur ein Haar ausgerissen wird.«
    Zornig befreite sie sich aus seinen Armen. »Worte! Johann. Worte! Hier, auf diesem Stuhl hat er gesessen, und er war mächtiger, als alle unsere Hoffnung sein kann.«
    In den Augen des Kaplans stand ein Feuer. »Sorg dich nicht, Wendel. Das Reich Gottes ist nah, und ich darf ihm den Weg bereiten!«
    Wendel schreckte zurück. Nie hatte Adolph so gesprochen. O Johann, jetzt weiß ich, dass du immer noch träumst. In deinen Gedanken hast du den Papst schon vernichtet, doch er sitzt noch in Rom, in deinem Herzen lodert der Sieg, doch hier draußen braucht das Feuer einen sicheren Herd, sonst verbrennen die Flammen alles, auch uns selbst. Sie nahm ihm die Vorladung aus der Hand. »Ich glaube an den Kampf, den ihr führt. Er ist gerecht, Johann. Doch ich will, und mein Kind muss damit leben können.«
    Zum zweiten Mal überreichte sie ihm das Schreiben. Er wog es in den Händen, das Leuchten seiner Augen war verloschen, unsicher blickte er Wendel an.
    *

A m unteren Rand des Rathausplatzes, gleich an der Ecke der kurzen Judengasse, zerwühlte ein Schwein den Abfall, die Maisonne garte Verwesung und Fäulnis, gierig suchte die Sau zwischen Kot und Asche, fand Lauchreste, Wurstzipfel und Kohlstrünke.
    »Die wär gut, der Hals ist lang, nicht zu dick.« Christoff Heftrich streckte den Finger und zeichnete den Schnitt aus der Entfernung. »Sauber fällt der Kopf.« Er seufzte. Viel zu lange hatte er das Schwert nicht benutzen dürfen, nur Galgen und Rad, doch für die höchste Kunst, den sauberen Schlag, um ihn zu führen, brauchte es Übung. Und wenn ich eine Sau bringe, freut sich meine Lisbeth. Doch vom Rathaus quer durch Köln bis nach Hause, nein, das machte zu viel Aufsehen.
    Obwohl es verboten war, gelang es dem Henker, hin und wieder eins der umherstreunenden Schweine mit einer Rübe von der Schmierstraße weg in den Durchstieg zu locken. Der Verführer strich die Köstlichkeit dem hungrigen Tier wieder und wieder über den Rüssel, bis er die Rübe durch das geöffnete Tor in seinen Hinterhof rollen konnte und das Schwein grunzend in die Falle lief. »Koch Wasser! Wir schlachten!«, befahl er seiner stummen Frau, wie immer standen ängstliche Fragen in Lisbeths Gesicht, und Christoff lachte. »Keine Angst, um mich kümmert sich keiner.«
    Mit einem Knüppel bewaffnet näherte er sich dem Opfer, trieb das Schwein in die Hofecke und beobachtete es unbeweglich, die Punkte der Augen starr, die wulstigen Lippen leicht geöffnet, seine Muskeln spannten sich, dann der Hieb, und bewusstlos knickte das Schwein vornüber, nur betäubt, das war wichtig für Heftrich. Er kannte seine Kraft und beherrschte sie genau.
    Den Zaun hatte er hoch gebaut, Latte an Latte, sein Hof sollte auch vor jedem zufälligen Blick geschützt sein. Das Messer ließ er im Gürtel stecken, nein, er schlachtete nicht wie ein Metzger. Ernst, ohne jede Erregung, wuchtete er das Schwein auf das niedrige Holzpodest, legte die Schlingen an, zog sein Opfer hoch, dass es nur mit den Hinterbeinen die Plattform berührte und zurrte gewissenhaft die Enden der Stricke an den vier Pfählen fest, so stand das Schwein aufgerichtet in der Mitte der selbstgezimmerten Richtstätte. Noch einmal überprüfte er mit dem Daumen die Schärfe der Schwertklinge, schloss beide Hände um den Griff und führte das Schwert an der rechten Schulter vorbei, dehnte sich bis zum äußersten Punkt. Heftrich verstand sein Handwerk. »Glatt.« Der Kopf des Schweins fiel in die Schüssel. »Keiner hat so einen Schlag wie ich.« Nach der Arbeit konnte das Schlachtfest beginnen.
    »Schad, dass diese schöne Sau da nicht bei mir an der Ecke rumwühlt.« Der Henker warf die Lippen auf, durch die Zahnlücke stieß er den Speichel, der Strahl traf den schwarzverkrusteten Rücken, unbekümmert fraß sich das Schwein weiter durch den

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