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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Begeisterung die Schriften ins Feuer geworfen, nur weil eure Kirchenherren es befohlen hatten. Hast du sie gelesen? Schweig! Ich weiß, dass du ebenso blind wie die anderen dich dem fügst, was von dir verlangt wird. Luther kämpft gegen das Unrecht, gegen die schamlose Ausbeutung der Gläubigen durch den Papst und seine Handlanger, er kämpft für uns. Wann endlich hat dein Magister den Mut, sich öffentlich zu bekennen, die neuen Gedanken an euch weiterzugeben? Neue Gedanken!« Der hagere Mann hielt plötzlich inne, fuhr mit einer Hand durch die Luft, als wollte er Johann wegwischen. »Starr mich nicht so an. Verschwinde!«
    Benommen wandte Johann sich ab, ging gehorsam einige Schritte, bis ihn die Wirklichkeit überfiel. »Wohin soll ich denn gehen?«, rief er und fühlte, wie Tränen aufstiegen. Voller Verzweiflung kehrte er um, stürmte auf den Fremden zu, beide Fäuste hielt er ihm vor das Gesicht. »Sag es mir! Ich bin kein Halunke, kein Verbrecher. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll!«
    Der Mann wich zurück, verstand nicht. »Geh in deine Burse, folge deinem Magister. Feier mit deinen Kollegen in den Weinlokalen des Studentenviertels, verschwinde!«
    »Ich werde von den Bütteln und Gewaltdienern gesucht, genau wie du. Sie dürfen mich nicht verhaften.«
    »Gerede! Warum sollten sie mich suchen? Weil ich Bücher gerettet habe?« Er lachte spöttisch. »Wer verfolgt schon einen Dummkopf wie dich?«
    Johann schüttelte den Kopf, dass die Kapuze nach hinten rutschte und ihm die schweißnassen Haare ins Gesicht schlugen.
    »Sie jagen zwei Ketzer! Dich und mich! Du hast gegen das Gesetz verstoßen, dir geschieht recht. Ich wollte dich nur aufhalten, und jetzt verfolgen sie auch mich. Du bist an allem schuld!« Er weinte.
    Ruhig legte der Fremde den Arm um Johanns Schultern, zog ihn an sich. Aller Spott war verflogen. »Still, hab keine Angst. Ich vertraue Arnold von Wesel. Du bist kein Ketzer, ich auch nicht. Geh zurück, du wirst sehen, niemand wird dich verhaften. Das Geschrei von heute Morgen war nur für den Kaiser und sein Gefolge bestimmt, es war eine Demonstration der Kirche und der Universität, ein Streit um Gedanken. Mehr nicht. Ich bin fest überzeugt, dass niemand wirklich in Gefahr gerät und der Ketzerei angeklagt wird, selbst Martin Luther nicht. Was sollten sie mit dir anfangen, einem einfachen Studenten, der noch nicht mal weiß, worum es geht? Heute Abend ist das Strohfeuer verraucht, die Suche beendet. Morgen hat man uns schon vergessen.«
    Johann glaubte ihm, ohne seine Worte wirklich zu verstehen, musste es, mit einem Mal hatte er Vertrauen zu dem Fremden, fühlte sich nicht mehr so ausgeliefert. »Wer bist du?«, fragte er leise.
    Der hagere Mann nahm den Arm zurück, betastete nachdenklich seinen Bartwirbel und sah den Jüngeren an. »Ich kämpfe, aber niemals soll ein Unschuldiger durch mich in Gefahr geraten. Geh zurück in die Burse. Sprich mit niemandem über unseren Tag. Setz dich in deine Kammer und versuche, deine Gedanken zu ordnen. Wenn du mich Wiedersehen willst, dann komm heute Abend. Gegen acht Uhr werde ich irgendwo in der Nähe der Herberge ›Goldener Hirsch‹ sein. Ich finde dich.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, eilte er davon, die hagere Gestalt verlor sich rasch zwischen den Gärten und Holzverschlägen.
    *

A m Ende des Flurs leuchtete die weißgestrichene Tür. Grell schlugen die Stimmen aus dem Hauptraum der Burse. Zu Ehren des Festaktes waren heute die Vorlesungen ausgefallen.
    Hinter dieser Tür sitzen sie. Keiner von ihnen wird sich bei dem nebligen Wetter im Stadtgraben mit Ballspielen die Zeit vertreiben, bei Helligkeit ist ein Gang ins Wirtshaus für Studenten zu gefährlich, und die Huren sind noch mit den fremden Gästen beschäftigt, die der Kaiserbesuch nach Köln gespült hat. Alle werden da sein. Vielleicht sollte ich über den Hof schleichen, durch das Fenster einsteigen? Unmöglich, er hatte es am Morgen fest von innen verriegelt. Ich muss an ihnen vorbei, einen anderen Weg in meine Kammer gibt es nicht. Tief sog Johann das Halbdunkel in sich hinein. Hexenmeistern gelang es, allein durch das Einatmen der Nacht unsichtbar zu werden, Hexenmeistern, aber nicht einem Studenten der Theologie.
    Leise öffnete Johann die weiße Tür. Es gab kein Noch-so-leise, wenn jeder auf eine Abwechslung wartete. Sofort verstummten die Gespräche, Hocker scharrten über die Holzbohlen. Nicht nur die sechzehn Studenten, auch alle Magister der Burse starrten ihn an.

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