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Uebergebt sie den Flammen

Uebergebt sie den Flammen

Titel: Uebergebt sie den Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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den Ärmel seiner Kutte. Als er wieder aufblickte, erstarrte er. Der Fremde stand vor dem Haus, prüfend sah er hinter dem Reiter her und ging rasch in die entgegengesetzte Richtung.
    Einfach »Halt, stehen bleiben!« kann ich nicht rufen, die Büttel suchen ihn und mich!
    Der hagere Mann verschwand gleich im nächsten Durchstieg. Johann huschte über die Straße. Ein enger Gang, dunkel, oben berührten sich fast die Dächer der Häuser, vom Nebelhimmel blieb nur ein schmaler Strich. Seine Augen tasteten noch, der Fuß blieb zwischen Balken stecken, und Johann fiel. Zum zweiten Mal liege ich im Dreck! Er schlug die Fäuste in den aufgeweichten Modder, immer wieder, alle Wut auf den Fremden, seine eigene Ratlosigkeit, bis er die Hände öffnete.
    Genug. Johann wollte die Verfolgung abbrechen. Entschlossen zog er die Knie an und richtete sich auf. Seine Schultern wurden gepackt. Er riss den Kopf zurück, über ihm ein blasser Gesichtsfleck und Augen. Entsetzt versuchte Johann sich abzuwenden, stockte, der spitze Schmerz an seiner Kehle machte ihn starr. Mit dem Blick suchte er nach unten und sah das Messer.
    »Was willst du von mir?« Die Stimme des Fremden klang rau, bedrohlich.
    Johann schwieg.
    »Antworte. Warum verfolgst du mich?«
    »Du hast Bücher gestohlen. Ketzerische Schriften.« Mehr fiel Johann nicht ein.
    »Was geht es dich an?«
    »Ich bin Student.«
    Leise lachte der Fremde und ließ die Klinge sinken. »Werdet ihr schon zu Handlangern dieses vollgefressenen Erzbischofs erzogen? Studiert man das jetzt an der Universität?«
    »Nein! Dieser Luther will die Ordnung zerstören!«
    »Ordnung? Mein blinder Freund, diese Ordnung ist nichts als eine stinkende Kruste.«
    Ehe Johann begriff, hallte erneut Hufschlag draußen auf der Straße, begleitet von lauten Stimmen, Zurufen. Der Fremde presste sich an die Hauswand. Johann kauerte dicht über dem Boden. Groß erschien ein Reiter, verdunkelte den schmalen Eingang des Häuserspalts, legte die Hand über die Augen, ritt weiter. Drei Büttel folgten ihm. deutlich erkannte Johann ihre farbigen Zweispitze. Der Trupp hatte sie nicht entdeckt.
    »Komm.« Damit huschte der Fremde dem anderen Ende des Durchstiegs zu, und Johann hatte Mühe, ihm zu folgen. Der Gang mündete in einer Gasse, die sich zwischen Hinterhöfen, Verschlägen und Gärten hindurchschlängelte. Nach wenigen Schritten blieb der hagere Mann stehen, wartete.
    Alt ist er nicht, höchstens sechs Jahre älter, dachte Johann, vielleicht 25 Jahre.
    Diese Augen!
    »Was willst du von mir?«
    Alle Gründe hatten ihren Sinn verloren. Die Jagd in der Stadt galt nicht nur diesem Mann, auch seinem Komplizen! Verzweifelt kämpfte Johann dagegen an. Noch heute Morgen war sein Leben sicher und ruhig, noch vor dem Aufstehen hatte er wie immer voll Dankbarkeit an seine Mutter, an die Eltern gedacht und gewusst, dass er mit Recht ihr Vertrauen verdiente, die großen Opfer nicht umsonst waren. Und jetzt? Schuldlos wurde er verdächtigt, sollte dem Inquisitionsgericht ausgeliefert werden!
    »Sag schon. Bist du wirklich Student oder ein Spitzel des Erzbischofs?«
    »Ich studiere Theologie.«
    »Wie heißt du?«
    »Johann Klopreis.«
    »Wer ist dein Magister?«
    »Arnoldus.«
    Für einen Augenblick lächelte der Fremde, fuhr mit dem Finger den Kreis des Bartwirbels an seiner rechten Wange nach. »So. Arnoldus von Wesel. Dann wohnst du in der Burse der Montaner, an der Straße Unter Sechzehn Häusern, mitten im Studentenviertel.«
    »Woher weißt du das? Ich habe dich noch nie vorher gesehen. Du kennst meinen Magister?«
    Unvermittelt griff der Fremde nach Johanns Kapuze und zog ihn dicht an sich heran. »Du Student! Glaubst du wirklich, Bücher zu retten, Bücher zu lesen ist strafbarer, als Bücher zu verbrennen?« Seine Stimme erlaubte keinen Widerspruch.
    Doch zwei Wahrheiten gab es nicht, das war Johanns Trost, diese feste Überzeugung verlieh im Kraft. »Wer sich gegen den Papst stellt, der versündigt sich gegen Gott und die Kirche.«
    »Auswendig gelernte Sätze. Du weißt gar nichts. Nichts!«
    Empört fuhr Johann auf. »In unsern Disputationen bin ich gefürchtet!«
    »Aristoteles! Scharfsinniges Geplänkel um nichts.«
    »Mein Latein. Mein Magister hält …«
    Wieder stieß ihn der Fremde zurück, Johann fiel nicht.
    »Schweig! Du bist wie die meisten Studenten. Ihr lernt, plappert euren Lehrern nach dem Mund und glaubt zu denken. Wer von euch will denn sehen, was wirklich geschieht? Heute habt ihr mit

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