Überman
Sarantakos zieht das Kalb von der Kuh weg. Dann nimmt er Lala mit einem galanten »Darf ich?« das Pfefferspray ab und ballert Trulli die komplette Ladung auf den Kopf.
»Hallo?«, schreit Paula, »geht’s noch?«, und Daniela schimpft: »Was sind Sie denn für ein Arschloch?!«
Was immer Sarantakos vorhatte – jetzt dreht Trulli komplett frei. Sie röhrt, sie tritt aus und wirft den Kopf nach hinten, bis schließlich der Schlüsselbund klirrend auf den Boden fällt. Triumphierend hebt Sarantakos ihn auf: »Das Arschloch mit dem Schlüssel.«
»Stand das auch in der
Wild & Hund
?«, fragt seine Frau.
»Nein!«, antwortet Sarantakos, »in der
Guns & Weapons
.«
Und noch während ich mir überlege, ob das wohl ein Fachmagazin US -amerikanischer Prägung ist, durchdringt ein lautes Geräusch von berstendem Metall den Keller, und ein ganzer Trupp Uniform-Menschen mit grellen Handlampen und Gasmasken stürmt auf uns zu. Sie rufen Dinge wie: »Geht’s Ihnen gut?«, »Wer von Ihnen ist Simon Peters?«, und: »Wo ist der Luftschacht?«
Mittendrin steht eine kalkweiße und zitternde Annabelle und starrt mit offenem Mund auf das Schlachtfeld aus umgeworfenen Weinpaletten, Kuhscheiße und Scherben.
»Hallo … Simon«, begrüßt sie mich schwach.
»Hallo Feechen …«, antworte ich ebenso.
»Liebe? Frieden?«
»Weiß nich’ …«, antwortet Annabelle leise.
»Schade«, flüstere ich.
Ich nehme ihre Hand. Sie ist kalt, aber es fühlt sich trotzdem gut an.
»Du bist verrückt geworden, oder?«
»Vielleicht. Ja. Was meinst du?«
»Ja.«
»Wie hast du hergefunden, bist du den Rindern gefolgt?«
Annabelle zeigt Phils Facebook-Seite auf ihrem Handy. »Das war nicht nötig.«
Der erste Eintrag ist ein Foto von der in Österreich liegenden Trulli und offenbar macht genau diese Nachricht auch bei den anderen gerade die Runde.
»Du hattest Netz, Phil??«, schreit Daniela. »Warum hast du denn keine Hilfe geholt?«
»Ich bin doch nicht bekloppt! Wenn mir einmal in vier Wochen nicht langweilig ist!«
» DER HAT MICH EINGESPERRT !«, schreit der Zwerg neben einem Polizisten und deutet auf mich.
Eilig ziehe ich Annabelle zu mir, die traurig wirkt und verwirrt. »Ich wollte euch zeigen, dass ich euch liebe«, flüstere ich.
»Na ja«, seufzt Annabelle, »hat nicht geklappt.«
»Was auch immer passiert, eines verspreche ich dir: ich baue nie wieder so eine Scheiße!«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagt ein Polizeibeamter, »dafür sorgen wir jetzt erst mal.« Dann bekomme ich Handschellen angelegt.
Landgericht
56 Tage später
Ditters trägt einen dunklen Anzug heute statt Holzfällerhemd, alleine das macht mich nervös. Und der Gerichtssaal macht mich noch nervöser mit den muffigen Holzwänden und den grellen Siebzigerjahre-Leuchten, und dass wir alle stehen müssen, obwohl es einen Stuhl gibt für jeden, macht mich am allernervösesten.
Vorsichtig schiele ich nach rechts oben, von wo aus eine ganze Armada an Robenmännern auf uns hinabblickt. »Warum gleich drei Richter?«, flüstere ich Ditters zu, der rechts neben mir steht.
»Weil die Sache nicht so einfach gelagert ist«, erklärt er mir.
Gut, denke ich mir, dann weiß ich ja Bescheid. Selten war ich so angespannt wie jetzt. So lange ging es hin und her: Klageschrift, Klageerwiderung, Terminbestimmung und Beweisbeschluss und schließlich die mündliche Verhandlung heute.
»Kriegen wir schon!«, sagt Ditters und knufft mir schwul in die Schulter.
»Aua!«
»Sorry. Und denk dran, wenn du provozieren kannst, dann hilft das.«
Ja, verdammt, ich hab’s kapiert. Ditters merkt wahrscheinlich, dass mir die Düse geht, und will mich aufmuntern. Das Schlimmste ist, dass ich mich wie ein Verbrecher fühle. Müsse ich nicht, sagt Ditters, ist aber trotzdem so. Kein Wunder: Ich wurde auf Waffen untersucht, als wäre ich ein Irrer, der das ganze Gerichtsgebäude in Schutt und Asche legen will, und jetzt starren sie mich an, als sei ich irgendein bescheuertes Tier in der Manege – die Presse, Schaulustige und natürlich meine Freunde: Paula ist da und Phil und Manni. Er hat nicht gewonnen bei
Schlag den Raab
, weil ihm bei der Vorstellungsrunde die Beine weggeknickt sind vor Schreck. Sogar Flik hat sich frei genommen und ist mit Daniela gekommen, klar, sie wollen ja auch wissen, wie alles ausgeht.
Annabelle ist auch hier, sie trägt ihren bunten Streifenpullover von unserem allerersten Treffen und ist mindestens so aufgeregt wie ich. Ich kann gar
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