Überman
wohne in Köln-Porz. Fühl mich einfach sicherer damit.«
»Natürlich. Und entschuldigen Sie, dass ich … Ist aber nicht aufgewacht, oder?«
Ich tue so, als würde ich nachschauen. »Schläft!«
Erleichtert klappe ich den Kinderwagen zusammen und verstaue ihn im Auto. Gerade, als ich mich auf den Weg zur nächsten Angstmessung machen will, vibriert mein Handy, und ein ziemlich aufgeregter Flik ist dran.
»Du ahnst nicht, was gestern hier los war!«
»Du hast gewunken beim Kacken, und das Licht ging nicht an?«
»Haha! Leider nicht.«
Völlig aufgelöst berichtet Flik, dass sie bei ihnen eingebrochen haben und die halbe Vorratskammer leergeräumt, sogar der Kinderwagen sei weg. Wie er übertreibt, das Weichei. Ich hab gerade mal ein Drittel rausnehmen können aus der Vorratskammer.
»’ne Ahnung, wer’s war?«, frage ich.
»Nee!«
»Und wie isses für Daniela?«
»Sie weint die ganze Zeit! Aber nicht wegen dem Einbruch, sondern …«
Fliks Stimme gerät ins Stocken.
»Warum?«
»Sie haben was Schlimmes an unsere Wand geschmiert. Mit der Wachsmalkreide von Lea-Marie. Und … deswegen ruf ich dich auch an.«
Augenblicklich verkrampft sich mein Magen, und mein Hals wird eng.
»Deswegen rufst du mich an?«
»Ja, Simon.«
Warum sagt er denn nichts mehr? Hab ich was liegen lassen? Will er … erwartet er, dass ich es zugebe? Dann müsste ich ja die komplette Weinkeller-Geschichte –
»Die Sache ist die … also, wie du dir vorstellen kannst, ist Daniela ziemlich am Ende und einfach nur wütend, weil sie sich so hilflos gefühlt hat, und jetzt will sie irgendwas machen, falls diese Idioten noch mal hier aufkreuzen, und da ist sie auf Krav Maga gestoßen.«
»Auf wen?«
»Krav Maga. Das ist so eine Art Selbstverteidigung, kommt aus Israel und …«
»Eine Selbstverteidigung aus Israel?«
»Ich weiß es doch auch nicht so genau, Simon. Jedenfalls hat sie sich gestern noch zum Probetraining angemeldet, und das ist heute Abend in Köln.«
»Ist doch super!«, sage ich erleichtert, »machste auch mal bisschen Sport.«
»Ich hab ’ne Sitzung, Simon, und ganz ehrlich, selbst wenn ich keine hätte: Ich wiege einhundertzehn Kilo und für mich ist so was nichts.«
Es ist wirklich seltsam. In genau dem Augenblick, in dem ich frage »Ja, und was willst du jetzt von mir?«, weiß ich die Antwort.
Zupfspiel
Noch 12 Wachblöcke
Unsere Trainerin heißt Megan und ist Nahkampfausbilderin der israelischen Streitkräfte. Sie dient außerdem als Platoon Commander der Reserve in einer geheimen Anti-Terror-Einheit. Das alles weiß ich vom sympathischen Sascha, der normalerweise das Training leitet. Normalerweise. Außer heute Abend, wo er bei der Weihnachtsfeier von 4711 im Einsatz ist, weswegen er sich gleich wieder verabschiedet. Megan spricht acht Sprachen, darunter kein Deutsch. Sie trägt eine schwarze Kampfhose, dazu ein olivfarbenes T-Shirt mit hebräischen Schriftzeichen, die blonden Haare sind zu einem strengen Zopf zusammengebunden. Ich bin im ersten Drittel von Wachblock minus zwölf vor der Übernacht.
Ziel: Überleben.
Location: eine runtergerockte, nach Schweiß stinkende Turnhalle irgendwo am Rande von Köln-Bickendorf.
Aktueller Messwert: 8 , 4 DADA s auf der nach oben offenen Peters-Skala.
Der Druck steigt. Aber auch ohne den gestiegenen Angstwert geht mir der Arsch jetzt schon auf Grundeis. Ganz im Gegensatz zu Daniela. Mit finsterer Miene scheint die sich auf das Training geradewegs zu freuen, ab und zu zischt sie was von »Arschlöcher!«
»I am very happy to be here in Germany!«, behauptet Megan und »we are going to have a lot of fun tonight.«
Ach ja? Ich erinnere mich, dass ich nur aus zwei Gründen hier bin: 1 . aus schlechtem Gewissen und 2 . weil ich hoffe, irgendetwas Anwendbares zu lernen, um die nicht besonders kräftige Sommelieuse zu überwältigen, wenn mein Selbstverteidigungsschirm nicht mehr rechtzeitig ankommt.
Ängstlich hebe ich meinen Blick. Wir sitzen im Kreis auf dem Hallenboden, in der Mitte steht Megan. Die meisten Männer sind echte Kanten mit schwarzen Militärhosen und gedeckten T-Shirts. Den Frauen würde ich auch an Karneval nicht unbedingt an den Arsch fassen. Außer Daniela vielleicht, mit ihrer engen, braunen Armeehose und dem weißen Tank-Top. Warum trage eigentlich nur ich ein grell leuchtendes, kanariengelbes Kapuzen-Shirt? Ich sollte abhauen. Wegen …? Verdauungsbeschwerden? Zahnschmerzen? Panikattacke?
»Okay, listen up! Sascha told
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