Überman
Richtung Abfalleimer und verfehlt ihn um drei Meter. »Hey, du warst so unentspannt, da dachte ich, lass den Otto auch mal bisschen Spaß haben!«
Hätte ich nicht so unmenschliche Schmerzen wegen des israelischen Scherz-Schutzanzuges, würde ich widersprechen. So jedoch genieße ich es, endlich eine Sitzposition gefunden zu haben, in der neben meinen müden Augen nur eine Schulter wehtut.
»Jedenfalls hast du’s schön hier«, lüge ich stattdessen.
»Schön?«, lacht verächtlich Phil und quält sich auf die Bettkante. »Das ganze Zimmer sieht aus, als hätten es die Siebziger ausgekotzt. Du übrigens auch. Schläfst du nicht oder was?«
»Na ja, die Monster-Überraschung ist schon was aufwendig.«
»Sollte sie auch. Gib mir mal die Schuhe.«
»Wo willst du denn hin?«
Widerwillig reiche ich Phil einen der beiden blauen Converse, die er vor seinem Bett geparkt hat.
»Rauchen. Und den anderen!«
Ich halte Phil auch den anderen Schuh hin und schaue gleichzeitig auf die Uhr. »Gut, dann wollen wir mal!«, sagt Phil, springt vom Bett und schiebt den eigenen Rollstuhl zur Zimmertür.
»Was guckst du so blöd?«, fragt Phil genervt.
»Du kannst schon wieder laufen?«
»Ja. Aber ich darf noch nicht, sagen die Ärzte, damit das Knie schneller heilt. Danke.« Ein wenig ertappt rutscht Phil in seinen Rollstuhl und klopft auf die Räder. »Also, was ist jetzt, du Otto? Vamos!«
Ich zögere, denn eine kleine Sache brennt mir dann doch noch auf der Seele.
»Wegen des Autos …?«
Phils Ertapptheit weicht einem amüsierten Grinsen. »Haha, hab ich mir gedacht, dass du das fragst. Ist deins noch in der Werkstatt?«
»Ja! Da wird jetzt auch noch der Motor getauscht, haben die gesagt.«
Leidend quäle ich mich aus dem Besucherpolstersessel. ICH sollte den verdammten Rollstuhl kriegen, nicht Phil.
»Und? Was ist jetzt mit dem Wagen?«, hake ich nach.
»Also, wenn du mich später wieder zurückfährst, kannste ihn haben.«
Ich stutze. »Zurück von wo?«
Der größte Puff von Köln platzt aus allen Nähten, die Leute feiern, als gäbe es kein Morgen.
Mit einem Kölsch stehe ich neben einer halbrunden weinroten Plüschsitzecke, höre Madonnas »Like a Virgin« und überlege, wie ich Phil wieder besänftigen kann, was die Schäden an seinem Auto angeht. Im Augenblick scheint er’s vergessen zu haben, was natürlich auch an der osteuropäischen Tänzerin liegen könnte, die ihm mit ihren blanken Möpsen gerade einen Dollarschein aus dem Mund zieht.
Es ist Phils dritter Private Dance, und er ist definitiv im siebten Himmel. Leider ist der Wachblock minus 11 [4] direkt neben Phils siebtem Himmel, und zweimal bin ich schon kurz eingeschlafen. Das Rumstehen ist mal definitv reine Zeitvernichtung. Mein Ziel kann daher nur sein: abhauen, die SIM -Karte aus dem Auto bauen, kurz pennen und weitermachen mit meinen Weinkeller-Vorbereitungen.
Mittlerweile hat Phil eine neue Tänzerin neben sich und wedelt mit einem Tabledance-Dollar vor meiner Nase herum.
»Hey, Zombie. Kannst mir ruhig mal einen Private Dance ausgeben, nach der Scheiße mit dem Auto.«
Ich nicke apathisch und gebe einer der Tänzerinnen einen griechischen Zwanzigeuroschein.
»Sven? Was ist mit dir? Simon zahlt!«
»Klar. Cool. Danke!«
Gequält schaue ich zu Phils Pfleger Sven, einem dünnen jungen Kerl Anfang zwanzig, den Phil unbedingt dabeihaben wollte, damit der auch mal ein bisschen Spaß hat. Hab ich ihm sofort geglaubt, weil er so aussah, als würde er gleich losflennen. Tat er aber nicht. Erst jetzt ahne ich, dass es Svens permanenter Gesichtsausdruck ist. Während sich also zwei mit Gold-Strings bekleidete Tänzerinnen um Phil und die Reha-Heulboje winden, überlege ich ein zweites Mal, hier abzuhauen.
»Hey Zombie, entspann dich mal, siehst ja aus wie auf’m Sprung«, grölt Phil.
»Ich BIN auf dem Sprung!«, ächze ich, »du hast was von zwei, drei Bierchen gesagt!«
»Na, jetzt wo du mein supertolles Wahnsinnsauto zu Klump gefahren hast, sind’s halt zehn Bierchen. Und das Schönste: Die zahlst alle du! Hier, guck mal, die Kleine will was von dir!«
Phil deutet auf eine kleine Schwarzhaarige im Minirock, die lächelnd mit einer Dose Sprühsahne auf mich zu scharwenzelt.
»Lust auf was Süßes?«
»Hab ‘ne Laktoseintoleranz, leider …«, brumme ich.
»Ist laktosefrei!«
»Dann bin ich Veganer und … außerdem nehm ich nur Sachen zu mir, die die Natur freiwillig hergibt!«, ergänze ich hastig.
»So wie Kölsch?« Mit
Weitere Kostenlose Bücher