Überraschung kommt selten allein
Der arme Colin war das erste Opfer. Während Alberta das Curry servierte, versuchte Colin, mit Erica ein Gespräch zu beginnen. »Und Sie«, begann er, »sind also neu in Bath.«
»Ich glaube, ich habe schon erwähnt, dass ich seit September hier bin«, erwiderte Erica.
»Das haben Sie!« Colin lächelte. »Leben Sie allein?«
»Meine Tochter ist auf der Universität. Sie kommt in den Ferien nach Hause. Ich kann mir nicht vorstellen, jemals mit einem anderen Menschen als meiner Tochter zusammenzuleben.«
Colin lächelte heroisch weiter. »Wirklich? Wie interessant.«
Ericas Augenbrauen hoben sich. »Leben Sie allein?«
»Ja, seit drei Jahren«, sagte Colin. »Seit meiner Scheidung. Ich habe einen zwölfjährigen Sohn. Er besucht mich einmal im Monat, besser gesagt«, er lächelte wehmütig, »er sollte mich einmal im Monat besuchen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich eines Tages irgendeine schöne Dame für einen Neuanfang finde.«
»Darauf würde ich nicht bauen«, sagte Erica. »Wenn ich Sie wäre, würde ich anfangen, das Alleinsein zu genießen.«
Alberta schluckte. »Das ist sicher nicht nötig«, sagte sie mit einem nervösen Lachen. »Colin wird bestimmt bald weggeschnappt.«
Sie hörte das Telefon im Wohnzimmer läuten und hoffte, Jacob würde drangehen. Mit ein bisschen Glück war es Ericas Direktor, der sie dringend brauchte, weil die Schule gerade abbrannte.
Tony grinste. »Wie bei den Kernen der Persephone .«
Colin blinzelte. »Wie bitte? Sagtest du Kerne der Persephone ?«
»Sie sind meine neueste Entdeckung«, erklärte Tony. »Ihre erste Single hieß ›Schnapp mich weg‹. Sie sind in Schweden ganz groß.«
»Ich fürchte, von moderner Musik verstehe ich nicht viel«, sagte Philip. »Von Liza Minnelli dagegen kenne ich alles.«
Erica ließ ein Schnauben hören und warf den Kopf zurück.
Philip lachte unsicher. »Kann ich daraus schließen, dass Sie kein großer Fan von Liza Minnelli sind?«
Erica sagte: »Wie scharfsinnig von Ihnen.«
»Darf ich erfahren, warum Sie sie nicht mögen?«, fragte Philip.
Erica zog eine Augenbraue hoch. »Für mich ist Liza Minnelli die perfekte weibliche Ikone für Männer, die Angst vor Frauen haben. Sie ist so verletzlich und erbärmlich, ihre Unterlippe zittert ständig, und sie schminkt sich das Gesicht wie eine chinesische Puppe. Ich fürchte, in Wahrheit verkörpert sie ein altmodisches, völlig verkehrtes Bild von Weiblichkeit.«
Erica sah nicht ängstlich aus. Erica sah furchteinflößend aus. Sprachloses Schweigen folgte ihrer Behauptung, das von Jacob gebrochen wurde, der, das Telefon schwenkend, hereinkam. »Mum, Onkel Christopher ist dran. Er will dich kurz sprechen.«
Albertas Bruder, ein bedächtiger Akademiker, dessen Spezialgebiet mittelalterliche englische Literatur war, hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie kurz gefasst . Alberta seufzte, murmelte eine Entschuldigung und ging mit dem Telefon ins Wohnzimmer. »Hallo, Christopher«, sagte sie. »Ich kann nicht lange reden, wir haben Gäste zum Abendessen.«
»Jacob hat es mir erzählt«, antwortete Christopher. »Ich halte dich nicht lange auf. Helen und ich planen gerade unser jährliches Treffen mit Freunden und Kollegen. Wir wollten dich fragen, ob du uns wieder mit deinem herausragenden Service zur Verfügung stehst und für uns kochst. Meinst du, dass du kommen kannst?«
»Wenn es wie letztes Jahr am letzten Septemberwochenende ist, kann ich kommen. Ich habe es schon eingetragen.«
»Das ist ja wunderbar«, sagte Christopher. »Dann werden Helen und ich weiterplanen. Machst du uns wieder diese köstlichen kleinen Pasteten wie letztes Jahr?«
»Alles, was du willst«, versicherte Alberta ihm. Aus dem Esszimmer wehte Ericas freudloses Lachen herüber wie ein kalter Windstoß, und sie fügte hinzu: »Hör zu, ich muss Schluss …«
»Sag«, fragte Christopher, »was bekommen deine Gäste heute Abend?«
»Wir essen ein scharfes Fischcurry, und zum Nachtisch gibt es Schwarzwälder Kirschtorte.«
»Wirklich?«, sagte Christopher wehmütig. »Ich habe seit Jahren keine Schwarzwälder Kirschtorte mehr gegessen.«
»Könnte ein bisschen langweilig sein«, sagte Alberta, »aber sie ist sehr beliebt, und ich probiere verschiedene Rezepte aus.«
»Deine Gäste können sich glücklich schätzen. Wie hast du das Curry gewürzt?«
»Christopher, ich muss Schluss machen. Ich rufe dich bald wieder an.« Es war wirklich erstaunlich, dass Christopher und Helen, die beide so
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