Überraschung kommt selten allein
studiert.
Erica seufzte tief und lange. »Ich glaube, es war Virginia Woolf, die sich fragte, woher es kommt, dass Frauen so viel interessanter für Männer sind als Männer für Frauen. Ich muss sagen …«
Alberta nahm gar nicht auf, was Erica sagen musste. Sie nahm nur wahr, dass Erica sehr viel Zeit brauchte, um es zu sagen. Sie wünschte, Tony würde wiederkommen. Was zum Teufel trieb er? Sie schaute in die Runde und wusste, dass ihre drei alleinstehenden, männlichen Gäste ebenfalls aufgegeben hatten. Nur Lionel und Evie schienen Ericas extrem langen Diskurs über die Defizite des männlichen Geschlechts zu genießen, da sie hier und da Fragen stellten oder Kommentare abgaben. Alberta war sich ziemlich sicher, dass sie nicht die Einzige war, die einen stummen Seufzer der Erleichterung ausstieß, als Tony ins Esszimmer zurückkehrte. »Bitte entschuldigt, dass es so lange gedauert hat«, sagte er. »Habe ich etwas Aufregendes verpasst?«
»Erica hat ausgesprochen interessant erzählt«, sagte Lionel, erhob sich und warf seinem Sohn einen besorgten Blick zu. »Sag mal, alles in Ordnung, mein Junge? Hoffentlich waren das keine schlechten Nachrichten?«
Einen Augenblick lang kam es Alberta so vor, als sehe Tony aus wie jemand, der versuchte, sich daran zu erinnern, wie man lächelte. »Nein, nein. Wem darf ich noch Wein nachschenken?«
Lionel produzierte ein leicht theatralisches Gähnen. »Mir nicht, danke. Ich fürchte, ich muss in mein Bett, ich bin zu alt für lange Nächte.« Er wandte sich an seine Frau. »Kommst du mit, mein Schatz, oder möchtest du noch bleiben?«
Evie erhob sich ebenfalls und lächelte Alberta an. »Es war ein bezaubernder Abend, Liebes, wirklich bezaubernd.«
»Bezaubernd«, stimmte Lionel ihr zu. »Es war sehr nett, Sie alle kennenzulernen. Erica, ich freue mich schon darauf, irgendwann wieder nicht über Rupert Brooke zu sprechen!«
»Eigentlich«, sagte Graham, »muss ich auch gehen. Ich habe morgen viel zu tun, wirklich sehr viel. Alberta, das Essen war köstlich. Bitte bleib sitzen. Ich finde allein hinaus.« Er schoss beinahe zur Tür hinaus.
Innerhalb von zehn Minuten fiel Erica, Colin und Philip ebenfalls ein, dass ein voller Tag vor ihnen lag. Keiner wollte Kaffee, alle wollten nach Hause.
Nachdem sie ihrem letzten Gast zum Abschied gewinkt hatte, schloss Alberta die Tür, massierte sich das Kreuz und folgte Tony zurück ins Esszimmer. »Das war mit Abstand das entsetzlichste Abendessen, das ich je gegeben habe. Ich werde nie wieder jemanden zum Essen einladen.«
»Kann ich das schriftlich haben?«, fragte Tony. »Ich nehme an, alle fanden es schrecklich, außer vielleicht meine Eltern, aber nur, weil sie solche sonderbaren sozialen Experimente mögen. Wie heißt es so schön in dem Lied von Nick Cave und den Bad Seeds? Es war ein langer, seltsamer Abend .«
Alberta schauderte. »Ich dachte, er endet nie. Und du warst eine Ewigkeit weg. War es wirklich nötig, ein Dauertelefonat zu führen?«
»Es tut mir leid«, sagte Tony. »Es war …« Er brach ab und rieb sich die Stirn mit der Hand. »Wollen wir ein letztes Glas trinken, bevor wir aufräumen? Ich könnte noch einen Schluck Wein vertragen.«
»Ich könnte noch eine Menge Wein vertragen«, sagte Alberta energisch und schob Tony ihr Glas zu. »Ich bin total am Ende. Während du draußen warst, hat sich Erica über die bösen Männer ausgelassen. Ich dachte, Graham fängt gleich an zu weinen.«
Tony griff nach der Flasche und füllte ihre Gläser. »Bertie«, fragte er milde, »welcher Teufel hat dich geritten, als du drei alleinstehende Männer zu einem Essen mit Erica eingeladen hast?«
»Ich weiß es nicht!«, sagte Alberta elend. »Sie kam mir einsam vor, und ich dachte, sie möchte vielleicht ein paar Leute kennenlernen.«
»Und warum hast du dann nicht ein oder zwei Frauen dazu eingeladen?«
»Keine Ahnung! Ich dachte – ach, ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe! Eigentlich wollte ich nur Philip einladen, aber dann war Colin so traurig, als ich ihm Pasteten brachte, weil sein Sohn dieses Wochenende nicht kommen kann, und dann ist Grahams Katze gestorben, und alles ist außer Kontrolle geraten. Woher sollte ich wissen, dass Erica eine männerhassende Emanze ist?«
»Ich hatte das Gefühl, sie fand es nicht gerade aufregend, mit drei zufällig zusammengewürfelten Männern verkuppelt zu werden.« Tony trank einen Schluck Wein und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Außerdem waren alle
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