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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Dirks
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Nachfolge genommen.“
    „Ich weiß.“
    „Dann wirst du seine Stellung nicht übernehmen?“
    „Ich habe vorgesorgt.“
    Jetzt wurde Armand hellhörig. Hatte er sich getäuscht und es ging Franklin doch mehr um diesen Posten, als er dachte? „Was meinst du damit?“
    Franklin nahm einen großen Schluck aus seinem Glas, ehe er antwortete. „Du bist nicht der Einzige, der mich bei meinem Plan unterstützt hat, Armand.“
    Zwischen ihnen entstand ein langes Schweigen. Armand glaubte nicht, dass Franklin auch andere mit seinem Körper bestochen hatte. Doch jeder Mensch hatte einen Preis. Wenn man den herausfand … Dann war also wirklich alles nur Berechnung gewesen.
    „Und was wird aus uns? Ich dachte, du würdest meine Gefühle erwidern.“
    „Das habe ich nie gesagt“, versetzte Franklin. „Die Rede war von einer Nacht. Ich habe dir gehört, du hast dieses Geschwür aus meinem Leben entfernt. Wir sind quitt. Aber es wird sich nicht wiederholen.“
    Armand hatte das Gefühl, ihm würde der Boden unter den Füßen entzogen.
    „Gib mir dein Wort, dass du es nicht wieder versuchst.“
    „Was?“
    „Ich will keine Zwietracht zwischen uns. Du bist mein Freund, Armand. Aber ich möchte nicht ständig über meine Schulter schauen, damit ich rechtzeitig vor dir fliehen kann. Gib mir dein Wort.“
    Armand schluckte. „Ich werde dich nicht mehr anrühren“, sagte er gepresst. „Es sei denn, du bittest mich darum.“ Der Teufel sollte ihn holen, wenn er ihn nicht so weit brachte.
    Franklin nickte. „Gut. Ich vertraue dir. Wenn du mich jetzt bitte allein lassen würdest. Es gibt noch einiges, das ich erledigen muss.“
    Wut loderte wie ein verzehrendes Feuer in ihm. Er hatte alles für Franklin aufs Spiel gesetzt, hatte für ihn gemordet, hatte ihn geliebt und ihm einen Vorgeschmack auf die Ewigkeit gegeben. Und er stieß ihn weg.
    Armand jagte wie ein Nachtvogel übers Land. Sein Zorn suchte nach einem Ventil. Natürlich würde er ihn nie gegen Franklin richten, dafür liebte er ihn zu sehr. Aber wenn er diese Wut nicht herausließ, würde sie ihn zerreißen.
    Es gab jemanden, der seinen Hunger nach Schmerz und Zerstörung befriedigen konnte. Besser noch als Carl. Jemand, mit dem er noch eine Rechnung offen hatte. Margret Crest.
    Lautlos verschaffte er sich Zutritt, glitt die Treppe hinauf. Ihm fehlte sogar die Lust zu spielen, er wollte einfach nur töten. Schnell und grausam. Mit gebleckten Fängen betrat er das Zimmer, stürzte auf das Bett zu, in dem eine zarte Gestalt aus den Laken fuhr und ihn erschrocken in der Dunkelheit anstarrte.
    Armand verharrte mitten in der Bewegung, realisierte in Sekundenbruchteilen, dass das Kind gleich schreien würde, und presste ihm die Hand auf den Mund. „Scht! Scht, ma chère. Hab keine Angst.“
    Der Duft, der aus ihren roten Locken aufstieg, war ihm noch immer vertraut. Melissa! Mon Dieu, sie lebte. Wie war das möglich?
    Er presste sie an sich, küsste ihren Scheitel und sprach leise und beruhigend auf sie ein, bis sie sich entspannte und ihre Gegenwehr aufgab. Armand hielt sie ein Stück von sich weg und nahm die Hand von ihrem Mund. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er sie im schwachen Schimmer des Mondlichts, das durch das Dachfenster hereinfiel, näher betrachtete. Das herzförmige Gesicht, die großen grünen Augen und das satte Rot ihrer seidigen Haare. Es war, als würde er eine Miniaturausgabe seiner einstigen Liebe vor Augen haben. Madeleine! Seine Kehle wurde eng bei der Erinnerung an die Frau, die er geliebt und verloren hatte und die nun in diesem Kind scheinbar eine Wiedergeburt erfuhr. Alle Mordlust schwand aus seinem Herzen, stattdessen füllte es sich mit Liebe und einer Sehnsucht, die ihm den Atem raubte.
    Er sah sie vor sich, in einem dunkelgrünen Kleid aus Samt, das ihre elfenbeinfarbene Haut zur Geltung brachte. Ihr Verlobungskleid vor fast zweihundert Jahren. Ihm war, als hörte er ihr Lachen durch die Zeit erklingen. Nein, er würde sie auf keinen Fall ein zweites Mal verlieren. Niemand durfte sie ihm wegnehmen, jetzt, wo er sie endlich wiedergefunden hatte.

    Wolfspakt,
ISBN: 978-3-941547-68-1
    „Wer bist du?“, fragte das kleine Mädchen mit einer Mischung aus Neugierde und Furcht.
    Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter, blinzelte die Tränen fort. „Ein Freund, wenn du magst. Dein Märchenprinz. Wäre das nicht schön?“
    Ihre Augen begannen zu leuchten, was sein Herz schneller schlagen ließ. Vergessen war sein Plan, heute

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