Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
er auf die Straße geschleudert. Ein Sturz, der ihm nicht das geringste ausmachte. Er rollte sich ab und stand bereits einen Augenblick später wieder auf den Beinen. Ein wütendes, fast wölfisches Knurren durchdrang die Nacht. Ein Laut, der nach blanker Mordlust klang. Tom ließ den Jeep voranschnellen.
Der Maskenträger sprang vor.
Aber diesmal verfehlte seine Hand das Heck des Jeeps. Ich sah ihn an, während wir uns von ihm entfernten. Ich fühlte seine hasserfüllten Gedanken. Ein Schwall von ihnen ergoss sich über mich. Gedanken, so voller Grauen und Hass, dass man sie kaum in Worte fassen konnte. Ich fühlte das unangenehme Pochen hinter meinen Schläfen und versuchte mich abzuschirmen.
Im knietiefen Nebel stand der Maskenträger da, reckte seine metallischen Fäuste empor und riss das mit einem mörderischen Raubtiergebiss ausgestattete Maul zu einem markerschütternden Wutschrei aus.
Die Fahrt war mörderisch. Tom ließ den Jeep die dunkle Straße entlangjagen.
Der Fahrtwind wehte durch mein Haar.
Mir war innerlich kalt.
Sehr kalt.
*
Wir ließen Siemreap hinter uns und fuhren die Nationalstraße 6 Richtung Kampong Thum, einem kleinen Flusshafen an den Ufern des Stoeng Sen - jenem Zufluss des gewaltigen Mekong, an dessen Oberlauf das sagenhafte Pa Tam Ran lag... Die Straße führte an Sümpfen vorbei, die die Ufer des Tonle-Sab-Sees säumten.
Der Nebel waberte in dicken Schwaden über die Straße. Manchmal war er so dicht, dass man nur wenige Meter weit sehen konnte.
Es war eine Flucht in die Ungewissheit.
"Wo fahren wir hin?", fragte ich irgendwann.
"Ich weiß es nicht", sagte Tom. "Erstmal nach Kampong Thum. Hast du noch Geld bei dir?"
"Keine Reichtümer!"
"Aber eine Weile wird es reichen..." Er sah mich kurz an, blickte dann wieder noch vorn.
"Wir sollten versuchen, nach Pa Tam Ran zu gelangen", gab ich dann meiner Überzeugung Ausdruck. Tante Lizzys Anruf hatte mich in dieser Meinung noch bestärkt.
"Und was hoffst du zu finden?", erkundigte sich Tom. "Es gibt keinen Hinweis, dass Jim Field sich dort befindet."
"Ich weiß es nicht", gab ich zu. Tom hatte recht. Und dennoch war ich davon überzeugt, dass ich nur dort versuchen konnte, unserem Kollegen zu helfen. "Aber wenn das Kloster von Pa Tam Ran tatsächlich ein Kreuzungspunkt kosmischer Kraftlinien ist, dann ist es natürlich für den ORDEN DER MASKE ein interessanter Ort."
"Das würde das Auftauchen der Maskenträger teilweise erklären."
"Tom, es könnte sein, dass sie in Pa Tam Ran ein Tor zu Cayamus Welt errichten wollen oder sonst irgendeine Katastrophe auszulösen versuchen... Und Jim muss dort sein! Ich bin sicher..."
Wir schwiegen eine Weile.
Zum Glück war der Tank des Jeeps voll gewesen. Die nächste Möglichkeit, ihn aufzufüllen gab es vermutlich erst wieder in Kampong Thum - und das waren gut hundert Kilometer. In England eine Strecke, die man in ein bis zwei Stunden bequem hinter sich bringen kann. Aber die Nationalstraße 6 war natürlich nicht mit einer europäischen Autobahn vergleichbar, auch wenn sie als Fernverkehrsstraße galt. Immer wieder gab es tiefe Schlaglöcher. Die Sichtverhältnisse bei dem dichten Nebel zwangen ebenfalls zu einer niedrigeren Geschwindigkeit. Darüber hinaus musste in Kambodscha immer mit unbeleuchteten Fahrzeugen gerechnet werden. Überladene Fahrradrikschas gehörten ebenso dazu wie Handkarren und Wagen, die von den Zebu genannten Wasserbüffeln gezogen wurden.
Unterwegs nickte ich ein wenig ein.
Einige Kilometer von Kampong Thom passierten wir einen bewaffneten Militärposten. Nach einigem Hin und Her ließ man uns durch. Die Tatsache, dass wir als Ausländer kein Gepäck hatten, machte die Soldaten misstrauisch. Aber Tom konnte sie davon überzeugen, dass wir weder Spione noch Kriminelle waren.
Der Morgen graute bereits, als wir durch die Straßen Kampong Thums fuhren. Glutrot ging die Sonne jenseits des Stoeng Sen-Flusses auf und schimmerte geisterhaft durch die bodennahen Nebelbänke.
Wir erreichten den Flusshafen, der ein einzigartiges Gewimmel aus Booten verschiedener Größe darstellte. In Anbetracht des schlechten Straßennetzes waren die Wasserläufe Kambodschas vor allem in den Dschungel-Regionen nach wie vor die wichtigsten Verkehrswege.
Im Hafen herrschte zu dieser frühen Stunde bereits Hochbetrieb. Die Fischer waren in der Nacht rausgefahren, um ihre Netze auszuwerfen. Jetzt, gegen Morgen, kamen sie zurück, um den Fang zu bergen.
Wir stellten den Jeep
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