Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
diese Unsicherheit nicht darin begründet lag, dass er sich in einer fremden Sprache ausdrücken musste.
Er strich noch einmal über den Schreibtisch. In seinen Augen leuchtete es dabei eigentümlich. Er schien von diesem Möbelstück äußerst fasziniert zu sein.
"Was halten Sie eigentlich von der Theorie, dass es einen zweiten, verschollenen Band der ABSONDERLICHEN KULTE gegeben hat?", fragte Tante Lizzy.
Aber Dietrich von Schlichten schien ihr gar nicht zuzuhören.
Sein Blick war starr auf den Schreibtisch gerichtet.
Dann vollführte sein Kopf eine ruckartige Bewegung. Ein mattes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Er hob die Augenbrauen. Wider Erwarten hatte er Tante Lizzys Frage doch verstanden. "Einen zweiten Band der ABSONDERLICHEN KULTE?" Er schüttelte den Kopf. "Das halte ich für absurd."
"Ich frage Sie nicht von ungefähr", erklärte Tante Lizzy.
"Vor kurzem erwarb ich aus einem Nachlass einen - leider unvollständigen - Briefwechsel zwischen Ihrem Urgroßvater und einem gewissen George Flintworth."
"Ach, ja?"
"Ich nehme an, der Name ist Ihnen ein Begriff."
"Leider nein, Mrs. Vanhelsing."
"Nun, Mr. Flintworth war ein Exzentriker. Er betrieb ein Hutgeschäft in Cardiff und unterstützte die Forschungen Hermann von Schlichtens finanziell. Ich besitze unter anderem einen von Ihrem Urgroßvater verfassten Brief, in dem dieser Mr. Flintworth für seine Zuwendungen dankt und davon berichtet, dass der zweite Band der ABSONDERLICHEN KULTE zu zwei Dritteln fertiggestellt sei... Und in einem anderen Brief zitiert er sogar einige Passagen dieses Werkes!"
Dietrich von Schlichtens Züge erstarrten.
Das Lächeln, dass sich nun um seine dünnen Lippen herum zeigte, wirkte gekünstelt.
"Sie scheinen mehr über Hermann von Schlichten zu wissen als ich, der ich sein Nachfahre bin", sagte er dann in gedämpftem Tonfall.
"Vielleicht möchten Sie diese Dokumente bei Gelegenheit einmal in Augenschein nehmen..."
"Sehr gerne, Mrs. Vanhelsing. Auf dieses Angebot komme ich bestimmt zurück!"
*
Das Diner war im Salon angerichtet worden, der wie alle Räume in Tante Lizzys Villa große Ähnlichkeit mit einer Bibliothek aufwies. Auch hier waren die Wände von endlosen Reihen ledergebundener Folianten bedeckt.
Während des Essens redete Professor von Schlichten unentwegt von der bevorstehenden Expedition und dem, was uns in den Anden erwarten würde.
"Ich war leider mit einem viel zu kleinen Team und ohne die richtige Ausrüstung dort oben in den Anden", berichtete er. "Sonst könnte ich Ihnen jetzt schon sehr viel mehr sagen... Um es kurz zu machen: Es handelt sich um einen unter Wasser gelegenen Ruinenkomplex von gigantischen Ausmaßen. Gesteinsproben, die wir sichern konnten, habe ich in meinem Labor an der Universität von Hamburg mit Hilfe der C14 Datierungsmethode untersuchen lassen. Diese Bauwerke sind Millionen Jahre bevor es den ersten Menschen gab entstanden, das steht fest. Und auch die Architektur dieser Ruinen lässt den Schluss zu, dass sie keineswegs für Menschen erbaut worden sind... Es gibt kreisrunde, röhrenförmige Gänge, die große quaderförmige Blöcke durchziehen. Manche von ihnen weisen eine Steigung auf, die es für Menschen völlig unmöglich machen würden, sie zu benutzen. Der Stein wurde darüber hinaus mit einer Präzision bearbeitet, die nicht einmal mit unserer heutigen Technik möglich wäre!"
"Das klingt beunruhigend", meinte Tom.
Dietrich von Schlichten zeigte ein sehr kühles Lächeln.
"Finden Sie, Mr. Hamilton?" Er hob sein Glas, nippte daran und stellte es dann mit einer grazilen Bewegung wieder an seinen Platz, bevor er sich den Mund mit der weißen Stoffserviette abtupfte. In seine Augen flackerte es unruhig.
"Dann werde ich jetzt dafür sorgen, dass Sie auch um den letzten Rest ihres Schlafes noch gebracht werden, Mr. Hamilton!"
"Ich bin gespannt", sagte Tom.
"Es gibt Anzeichen dafür, dass die Wesen, die diese Anlage einst bewohnt haben, noch in historischer Zeit existierten. Möglicherweise überlebten sie sogar bis heute..."
Es herrschte einige Augenblicke lang Schweigen. Von Schlichten lächelte breit.
"Wie kommen Sie zu dieser Theorie?", fragte ich.
"Die Legenden der Indios berichten immer wieder von den sogenannten MAQUATLI - den Göttern der Tiefe..."
MAQUATLI!
Dieses Wort hallte in mir noch Dutzendfach wider.
Ich musste unwillkürlich schlucken. Für Sekundenbruchteile sah ich wieder das dunkle Wasser vor mir.
Und die dämonisch leuchtenden
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