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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Carpenter , Britta Strauss , Kerstin Dirks , Helene Henke , Tanya Carpenter
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hineinlief in die eiskalten Wellen, um darin unterzutauchen wie ein Fisch. Ihr Körper war ein helles Schimmern in der Finsternis. Ein Trugbild aus Meeresschaum.
    Ich hatte eindeutig zu viel getrunken. Beim neunten Bier war mir die Fähigkeit zu zählen abhandengekommen, und nun entstiegen dem Meer nackte Schönheiten. Wirklich nicht übel. Irgendwie schaffte ich es, mich aufzurichten. Ich hob mein Hemd auf und zog es an. Zwei Knöpfe fehlten – zwei Knöpfe meines besten und einzigen schwarzen Hemdes. Verdammt. In meiner Handfläche lagen Steinchen. Aber nein, es waren keine Steine. Es waren Perlen. Zart schimmernd und vollkommen. Wunderschöne Perlen. Ich starrte sie an, befühlte und betastete sie, dann kippte ich zurück in den Sand und starrte weiter in die Sterne hinauf. Morgen würde mich die Wirklichkeit wieder eingeholt haben. Und vermutlich würde ich mich dann nicht mehr an das hier erinnern.

    Pauls Seashell nahm mit plumper Gelassenheit eine Welle nach der anderen. Es war ein für Dorfhafenverhältnisse stattliches Schiff, ein schöner Hochseekutter von mehr als zwanzig Metern Länge. Während die Seashell wie ein Brauereipferd auf der kabbeligen Dünung bockte, wurde ich nicht nur vor Neid grün. Anscheinend eine Nachwirkung meines Katers, denn für gewöhnlich verfiel ich niemals der Seekrankheit.
    „Jack? Geht’s dir gut?“ Mein alter Freund Paul war zuvorkommend wie immer und klopfte mir auf die Schulter. So heftig, dass mir die Luft wegblieb. Er war in jeder Hinsicht ein Grobklotz. Gesegnet mit der Gestalt einer gemästeten Kegelrobbe. Mit seinem blonden, langen Haar und bleicher Haut sah Paul aus wie ein Weißbrot auf zwei Beinen.
    „Passt schon“, presste ich hervor.
    „Erinnert dich an den Sturm, hm? Verstehe schon. Geh runter, wenn du willst.“
    „Nein.“ Ich rührte mich nicht vom Fleck. Starrte stur in das düstere Wasser hinunter und dachte über Dinge nach, von denen ich Paul niemals erzählt hätte. Zum Beispiel eine Meerjungfrau, die mir Perlen schenkte. Die Erinnerung daran war ebenso wenig verschwunden wie die Kostbarkeiten, die sie mir in die Hand gelegt hatte. Hatte ich sie wirklich gesehen? Oder war ihre Erscheinung nur von zu viel Alkohol verschönert und mystifiziert worden? Ohne Frage waren nackte Meerjungfrauen keine unübliche Halluzination unter Seeleuten. Andererseits waren mir in letzter Zeit immer wieder nasse Fußspuren auf dem Holzboden meiner Hütte aufgefallen. Oder Bücher, die nicht dort lagen, wo sie sollten.
    „Sag mal, Jack.“ Paul setzte diesen unverwechselbaren Wir-Männer-unter-uns-Ton auf. „Wie sieht’s denn bei dir mit einer neuen Flamme aus? Komm schon, du kannst mir nicht erzählen, dass du keine findest.“
    „So ist es aber.“
    „Ich bitte dich. Du siehst aus wie Marlon Brando in
Der Wilde
. Nur die Zotteln auf deinem Kopf sind etwas länger.“
    „Wie wer?“
    „Jetzt verarschst du mich doch.“ Paul sah mich an, als hätte ich behauptet, kleine Kätzchen zum Frühstück zu verschlingen. „Wann warst du das letzte Mal im Kino?“
    „Keine Ahnung. Erinnere mich nicht mehr.“
    „Fisch drüber. Du Hammel behauptest allen Ernstes, du findest keine neue Flamme? Knöpf dir mal eine dieser süßen Touristinnen vor. Oder wie wäre es mit Angela, der Witwe? Jung, knackig und willig. Sie hechelt dir hinterher wie eine läufige Hündin.“
    Ich stöhnte entnervt auf, unablässig damit beschäftigt, mir die Haare aus dem Gesicht zu wischen. „Lass es Paul. Ich bin allein besser dran. Liebe bedeutet nur Verlust und Schmerz. Sorgenfalten, Magengeschwüre und Übelkeit. Davon habe ich die Nase voll. Weißt du, was Susannah mir antwortete, als ich sie fragte, warum sie sich überhaupt mit mir eingelassen hat, wo das Landleben und der Fischgestank doch so gar nichts für sie ist?“
    „Nein, was denn?“
    „Es sei irgendwie romantisch, mit einem Fischer liiert zu sein.“
    „Beim fettwanstigen Shellycoat, vielleicht hast du recht.“ Pauls Bauch wogte wie die See, als er lachte. „Na wie auch immer, gleich gibt’s Arbeit. Denkst du, du schaffst das?“
    „Klar doch.“ Ich versuchte, unbeschwert zu klingen. Vermutlich war es ein kläglicher Versuch. Es tat weh, als Hilfskraft auf diesem Schiff zu arbeiten. Nicht, dass ich Paul nicht gerne half, aber ich war es gewöhnt, mein eigener Herr zu sein. Auf meinem eigenen kleinen Kutter mit meinen eigenen Netzen und meinen eigenen Hummerkörben. Niemandem untertan, außer dem Ozean selbst.
    „Die

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