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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Carpenter , Britta Strauss , Kerstin Dirks , Helene Henke , Tanya Carpenter
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ein Höllenritt gewesen sein. Niemand, der bei klarem Verstand ist, wäre da rausgefahren. Hast du’s getan?“
    „Ja.“
    „Warum?“
    „Schlechtes Jahr.“ Ich hielt mir den Kopf mit beiden Händen. Irgendein Dämon bearbeitete meinen Schädel von innen heraus mit Stemmeisen und Sägen. „Leere Netze. Das Übliche.“
    „Und jetzt ist dein Kutter hinüber.“ MacDouglas seufzte. „Wie konntest du bei so einem Wetter rausfahren? Das war nicht nur dumm, das war lebensmüde. Und wie hast du es an den Strand geschafft?“
    „An den Strand?“, echote ich verwirrt. Ja, gute Frage. Ich war weit draußen gewesen. Unvernünftig weit draußen. Dort, wo Gefahren und Fische reichlich vorhanden waren und man zu einem winzigen Fragment zwischen den Fäusten des Windes und des Meeres wurde. Es war früher Nachmittag gewesen, als meine Calypso von den drei Schwestern versenkt worden war. Jetzt war es Abend. Wie hatte ich es hierher geschafft? Geschwommen war ich wohl kaum.
    „Ich weiß es nicht“, murmelte ich. „Alles ist … ich weiß es nicht mehr. Da waren Wellen. Wahre Monster. Sie zermahlten meine Calypso, als wäre sie aus Papier.“
    Mac wiegte nachdenklich den Kopf und hockte sich neben mich auf das Bett. „Seltsam. Sehr seltsam. Man könnte meinen, die See selbst hätte dich zurück an Land gespuckt. Vielleicht wollte sie dich nicht. Hast ihr nicht geschmeckt, mein Junge. Sie ist ein launisches Weib. Wähnt dich in Sicherheit, umsäuselt dich mit ihrer süßen Stimme, und dann verschlingt sie dich mit Haut und Haaren. Fast wie die richtigen Frauen.“
    „Mac, ich bin ruiniert.“
    Was hatte es gebracht, wie durch ein Wunder an den Strand zurückgekehrt zu sein? Meinen Kutter gab es nicht mehr, meine Zukunft versank in Schwärze.
    „Ich habe kein Geld für ein neues Boot. Susannah hat mir nichts als Schulden hinterlassen. Bitte, hol dein Gewehr und erschieß mich.“
    „Unsinn!“, blaffte der Alte. „Jetzt komm erst mal zu dir, mein Junge. Mach dich sauber, wasch dir das Blut ab und zieh dir was Ordentliches an. Wir beide machen jetzt nämlich das, was Seemänner seit ewigen Zeiten machen, wenn sie verzweifeln.“
    „Und das wäre?“
    „Wir gehen in den Pub und saufen.“

    Irgendwo zwischen Felsen und Tanghaufen, auf dem halben Weg zwischen Kiefernwald und Hütte, ging ich zu Boden. Meine Beine versagten, mein Gehirn versagte. Ich war so betrunken wie nie zuvor. Nicht einmal, als Susannah mich in einer Nacht- und Nebelaktion verlassen hatte, war es mir derart schlecht ergangen. Ich wollte mir die Kleider vom Leib reißen und ins Meer rennen. Ich wollte, dass es mich verschlang und seinen Fehler korrigierte. Ich hätte sterben sollen. Versinken, in der Tiefe vermodern. Mein Hemd fiel zu Boden, meine Schuhe landeten im Tang. Ich kroch vorwärts, brüllte gegen den Sturm, flehte, dass der Wind mich zerreißen möge, und brach am Saum der Brandung zusammen. Alle Kraft wurde aus meinen Knochen gesaugt. Nie wieder würde ich aufstehen. Niemals wieder. Unmöglich. Ich würde einfach hier liegen bleiben und verrotten.
    Über mir glommen die Sterne. Kalte Funken aus Eis, ebenso gleichgültig wie die See. Das Geräusch meines Atems schwebte über der Brandung und über dem Sturm, als gäbe es im ganzen Universum nur noch mich und die sturen Versuche meines Körpers, am Leben zu bleiben.
    Ich wünschte, er gäbe es auf.
    „Geh,“ hörte ich mich flüstern. „Geh einfach … lass mich in Ruhe …“
    Und plötzlich sah ich sie. Eine nackte Frau mit langem, schwarzem Haar, die über mir kauerte. Ihr Gesicht wurde vom Himmel eingefasst und war zu schön, um wahr zu sein. Diese Augen waren so groß, so dunkel und fremdartig. Ihre Haut glatt und fein wie das Perlmutt der kostbarsten Muschel. Ohne Frage war ich im Nirwana, denn in der wirklichen Welt konnte es solche Reinheit nicht geben.
    Sie berührte mich. Küsste meine Stirn und meine Wangen, ließ ihre Finger über meine Brust gleiten. Irgendetwas sagte sie zu mir. Dass ich es nicht verstand, war gleichgültig, denn als ich ihre Stimme hörte, löste sich mein gesamtes Sein in Verzückung auf. Ihr Säuseln und Raunen war wie Sirenengeflüster. Ich wollte ihr zuhören, für immer und ewig. Das hier war der Himmel. Und sie war ein Engel, der mich mit seiner Stimme von allen Sorgen und jeglichem Schmerz befreite.
    Etwas rieselte in meine Hand. Kleine, runde Steinchen, wie es schien. Dann sprang die schöne Fremde auf und verschwand. Sie verschwand, indem sie

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