Überwachtes Netz
Analysieren von Internetdaten nichts zu befürchten haben.
Das ist auch in einer grundlegend analogen Sicht auf die Dinge begründet. Natürlich haben diese Menschen Recht, dass kein Spion an einer Tastatur sitzt und ihre E-Mails oder Facebook-Nachrichten liest. Das ist natürlich nicht möglich, selbst wenn es gewollt wäre. Aber das ist auch gar nicht notwendig, denn Daten können von ermüdungsfreien Programmen »gelesen« werden, die dank Moores Law zentrale Informationen mit wachsender Geschwindigkeit und schwindenden Kosten extrahieren.
Die Menschen sind demgegenüber sorglos, denn die meisten können sich gar nicht vorstellen, was die heutigen Supercomputer mit ihren Daten tun können, und denken wieder in analogen Bildern – ein Spion der sich langsam durch einen riesigen Sumpf voller Informationen kämpft. Und das ist auch verständlich, denn selbst Computerexperten haben Schwierigkeiten, mit der Geschwindigkeit der Entwicklungen mitzuhalten und die Auswirkungen abzuschätzen.
Ein Post auf dem Blog von Google Search aus dem letzten Jahr kann helfen, einen Eindruck zu bekommen, wie mächtig heutige Systeme sind:
»Wenn Du eine einzige Anfrage in die Google-Suchmaske eingibst oder sie bloß in Dein Telefon sprichst, setzt Du so viel Rechenleistung in Gang wie es brauchte, um Neil Armstrong und elf andere Astronauten zum Mond zu schicken. Nicht nur für den eigentlichen Flug, sondern auch für all die Berechnungen während der Planung und Durchführung des elfjährigen Apollo-Programms mit 17 Missionen.«
Fügt man jetzt hinzu, dass täglich drei Milliarden Suchanfragen an Google verschickt werden und dass die Rechenkapazität der NSA wahrscheinlich noch wesentlich größer ist als die von Google, bekommt man einen Eindruck der geballten Leistung, die für die Analyse der »trivialen« Daten verfügbar ist, die über uns alle gesammelt werden und wie das zu sehr nicht-trivialen Rückschlüssen über intimste Teile unseres Lebens verhelfen kann.
In Bezug darauf, wie viel Information gespeichert werden kann, schätzt William Binney, früherer technischer Direktor der NSA, dass ein Datencenter, das im Moment in Utah gebaut wird, in der Lage sein wird, fünf Zettabyte Daten verarbeiten und speichern zu können. Wenn man das auf Papier ausdrucken und in klassischen Aktenschränken aufbewahren würde, bräuchte man etwa 42 Millionen Millionen Schränke, die 17 Millionen Quadratkilometer Grundfläche einnehmen würden.
Weder Rechenleistung noch die umfassende Speicherung persönlicher Daten allein bedrohen unsere Privatsphäre und Freiheit direkt. Doch wenn man sie zusammenbringt, kann die NSA nicht nur mehr oder weniger unmittelbar alle möglichen Informationen in 42 Millionen virtuellen Aktenschränken finden, sondern auch alle Wörter und alle Seiten in allen Schränken miteinander in Verbindung bringen – das kann man sich für einen Menschen nicht einmal ansatzweise vorstellen.
Es ist diese beispiellose Fähigkeit, all diese Daten über uns zusammenzutragen und mit den Daten unserer Familie, Freunden und Bekannten, und deren Familie, Freunden und Bekannten (und manchmal sogar deren Bekannten der Bekannten unserer Bekannten) zu kombinieren, die das Ausmaß des Wissens ausmacht, das die NSA jederzeit zur Verfügung hat. Für die meisten von uns ist es unwahrscheinlich, dass dieses Wissen jemals abgerufen wird. Aber es bedarf bloß einer winzigen Auffälligkeit irgendwo tief in der Kette unserer Bekanntschaften, um eine Verbindung herzustellen und all unsere unschuldigen Datensätze zu beflecken. Das führt dazu, dass sie auf einem riesigen Stapel an Daten landen, der in einer unvorstellbar tiefgreifenden Art und Weise querverwiesen, durchsucht und auf der Suche nach typischen Mustern analysiert wird.
Wenn man dieses nachvollziehbare, aber bedauerliche Unverständnis eines Teils der Öffentlichkeit betrachtet, was die außergewöhnlichen Fähigkeiten der NSA angeht und das, was diese an Ergebnissen extrahieren kann, kommt man zu einer Schlüsselfrage: Was können wir tun, um unsere Privatsphäre zu stärken? Bis vor wenigen Wochen hätten die meisten, die auf diesem Gebiet arbeiten, gesagt: »Alles verschlüsseln.« Aber die aktuellen Enthüllungen darüber, dass NSA und GCHQ es geschafft haben, praktisch jedes weit verbreitete Verschlüsselungssystem zu unterlaufen, scheint auch diese letzte Hoffnung zu zerstören.
Oder vielleicht auch nicht. Es herrscht annähernd Einigkeit unter den
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