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Überwachtes Netz

Überwachtes Netz

Titel: Überwachtes Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Meister Markus Beckedahl
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mehr, sondern weniger frei zu machen. Das hat dazu veranlasst, sich von einem komplett offenen Netz weg zu bewegen, in dem alle Informationen unverschlüsselt gesendet werden, hin zu einem, in dem Verbindungen mit HTTPS verschlüsselt werden, um persönliche Informationen vor neugierigen Augen zu schützen. Es ist bemerkenswert, dass der Druck, immer HTTPS zu benutzen, erst in den letzten Jahren angewachsen ist.
    Das ist vielleicht auch ein Hinweis darauf, wie die momentane Totalüberwachung zustande kam. Denn obwohl viele wussten, dass unverschlüsselte Daten abgehört werden können, herrschte das generelle Gefühl, es sei nicht möglich, die interessanten Daten herauszufiltern – angesichts der riesigen und immer weiter wachsenden Menge an Daten, die jeden Tag durch digitale Rohre fließen und das Internet darstellen.
    Aber es wurde ein entscheidender Faktor übersehen: Moores Law und seine Entsprechungen für Speicherung und Verbindungskapazität. Grob zusammengefasst sagt es, dass die Kosten für Rechenleistung sich in etwa alle 18 Monate halbieren. Umgekehrt heißt das, bei konstanten Ausgaben verdoppelt sich die verfügbare Rechenleistung alle anderthalb Jahre. Und man muss sich in Erinnerung rufen, dass dies ein geometrisches Wachstum darstellt: Moores Law besagt, dass nach 10 Jahren die Rechenleistung sich bei gleichbleibenden Kosten um den Faktor 25 erhöht.
    Nun nimmt man noch hinzu, dass die Geheimdienste in ihren Ausgaben für die neueste und schnellste Ausrüstung kaum beschränkt sind, denn es kann immer argumentiert werden, dass die zusätzliche Leistung wesentlich ist, um Informationen zu bekommen, die Leben retten könnten, und so weiter. Eine der ersten und außergewöhnlichsten Enthüllungen Snowdens, die der Guardian an die Öffentlichkeit brachte, gab einen Einblick, wie diese zusätzliche und ständig anwachsende Rechenleistung im sogenannten Tempora-Programm genutzt wird.
    Im Sommer 2011 hat GCHQ mehr als 200 Internet-Knotenpunkte angezapft, die jeweils Daten mit der Geschwindigkeit von 10 Gigabit pro Sekunde übertrugen. »Das ist eine massive Menge an Daten!« hieß es in einer internen Präsentation. In diesem Sommer wurden NSA Analysten im Bude-Verfahren vor Gericht gestellt. Im Herbst 2011 startete GCHQ zusammen mit den USA Tempora als Mainstream-Programm
    Das Anzapfen der transatlantischen Kabel erschloss GCHQ Zugriff zu speziellen Quellen. Es erlaubte der Regierungsbehörde, Internetpuffer einzurichten, um Daten nicht nur live beobachten zu können, sondern sie auch zu speichern – Inhaltsdaten für drei Tage und Metadaten für 30 Tage.
    Das deutet darauf hin, dass Großbritanniens GCHQ Daten mit der Geschwindigkeit von 2 Terrabit pro Sekunde abgriff: heute ist das sicherlich noch viel mehr. Dank Massenspeicherkapazitäten könnte GCHQ den kompletten Internetverkehr von drei Tagen speichern, sowie Metadaten von 30 Tagen.
    Es gibt einen einfachen Grund, warum GCHQ so etwas tut: Sie haben gemerkt, dass es nicht nur technisch, bedingt durch Moores Law, sondern auch rechtlich machbar ist. Die britische Rechtsvorschrift, die solche Aktivitäten überwacht – der Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA) – wurde 2000 verabschiedet und auf Basis von Erfahrungen der späten 90er Jahre verfasst. Er war dazu bestimmt, das einmalige Abhören von Einzelpersonen zu regeln und behandelt primär die Überwachung von Telefonen und dem Postsystem. Mit anderen Worten wurde er für eine analoge Welt entworfen. Das Ausmaß und die Möglichkeiten digitaler Überwachung sind heutzutage derart weit fortgeschritten, dass der gesetzliche Rahmen von RIPA – trotz seiner Befugnisse – obsolet ist. Im Wesentlichen ist GHCQ also fähig, ohne gesetzliche oder technische Beschränkungen zu operieren.
    Der stufenweise, aber unaufhaltsame Wechsel von stückweisem, kleinformatigen Abhören analoger Verbindungen hin zur Totalüberwachung könnte auch helfen, die Gleichgültigkeit der Öffentlichkeit gegenüber den Enthüllungen zu verstehen. Auch über die oberflächliche Idee hinaus, dass derjenige, der nichts zu verbergen hat, auch nichts befürchten muss – jeder hat etwas zu verbergen und seien es bloß die privaten Momente in seinem Leben – gibt es eine andere gebräuchliche Erklärung, warum die Menschen nicht besonders besorgt über die Aktivitäten von NSA und GCHQ sind. Nämlich, dass »niemand sich dafür interessiert«, was sie tun. Daher sind sie zuversichtlich, dass sie durch das Speichern und

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