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Uferwald

Titel: Uferwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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und erklärte sie. Harald verstand zwar nichts, nahm aber an, dass alles in Ordnung war, und fand den Preis von 25 Euro »praktisch geschenkt«, wie er später Isolde sagen würde.
    Er zahlte, verstaute den Mantel in seinem Rucksack und wandte sich zum Gehen.
    Dann blieb er noch einmal stehen. »Ach, sagen Sie – wie geht es denn der Frau Gossler? Wissen Sie, die Dame im vierten Stock...?«
     
    L uzie lehnte sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück, schloss für einen Moment die Augen und massierte sich die Schläfen. Das Gespräch mit Personalrat Hundsecker war doch noch recht unerquicklich geworden, und ihr Vorschlag, dass sie gemeinsam den Schreibtisch der krank gemeldeten Sachbearbeiterin und alleinerziehenden Mutter Gudrun Fudel in Augenschein nehmen sollten, war von ihm empört zurückgewiesen worden.
    Das Telefon klingelte, Luzie meldete sich, ein Herr Harald Treutlein sei am Apparat, sagte die Sekretärin, und lasse sich nicht abwimmeln.
    Seufzend nahm Luzie das Gespräch an.
    »Juffy, was willst du?«
    »Das ist ein ziemliches Geschiss, bis man dich am Apparat hat«, hörte sie Treutleins Stimme sagen, die wie immer ein wenig zu munter klang. »Bist du so wichtig geworden?«
    Es lag Luzie auf der Zunge, etwas über die Arbeit im Allgemeinen und die von Hausmännern im Besonderen zu sagen. Aber sie war heute schon in genug Fettnäpfchen getreten.
    »Du erinnerst dich doch an die alte Frau Gossler?«, fuhr Harald fort. »An Tilmans Mutter?«
    Ja doch, dachte Luzie. Natürlich erinnere ich mich.
    »Ich weiß nicht, ob du es weißt – aber sie wohnt noch immer in eurem Block auf dem Michelsberg. Nur hat man sie dort seit Monaten nicht mehr gesehen«, fuhr Treutlein fort. »Die übrigen Mieter hat das wohl nicht weiter gekümmert, nur den türkischen Änderungsschneider aus dem Erdgeschoss, er hat seine Tochter einen Brief an die Hausverwaltung schreiben lassen, also an euch, und weißt du, was passiert ist?«
    »Ich ahne es«, antwortete Luzie müde. »Nichts ist passiert, und die Tochter des türkischen Schneiders hat auch keine Antwort bekommen, nicht wahr?«
    »Aber du hast den Brief?«
    »Nein«, sagte Luzie, »ich habe den Brief nicht, aber ich kann mir denken, wo er ist. Wir haben hier nämlich ein kleines Problem mit dem Organisationsplan, verstehst du? Aber der Personalrat wird darüber nachdenken, und dann wird alles gut.«
    »Ich kann dir gerade nicht ganz folgen.«
    »Macht nichts. Aber ich schicke sofort jemand hin, der nach der Wohnung sieht.«
    »Und nach der Frau«, hakte Treutlein ein. »Weißt du, ich habe immer gedacht, wir hätten...«
    »Sicher«, unterbrach ihn Luzie. »Wir hätten. Immer gibt es etwas, was man hätte tun sollen. Aber du hast ja jetzt angerufen, und ich denke, dass ich keine Zeit verlieren sollte. Gruß an Isolde!«
    Und damit war das Gespräch zu Ende.
    In seiner Wohnung legte Harald Treutlein den Hörer auf. Der guten Luzie ist ihr Job ein bisschen zu Kopf gestiegen, dachte er.
     
    A uf Gleis 1 des Hauptbahnhofs schlossen sich die Türen des ICE, fast unmerklich setzte sich der Zug in Bewegung, Kriminalkommissarin Tamar Wegenast, eine groß gewachsene, schlanke Frau, hob den Arm und winkte. Sie war noch jung und trug langes, dunkles, hochgestecktes Haar.
    »Und du glaubst wirklich, dass der jetzt weg ist?«, fragte der Mann neben ihr. Tamars Kollege Markus Kuttler war kleiner als sie und hatte ein Gesicht, das sich niemand merken konnte. »Einfach weg und nicht mehr da?«
    »Kuttler, halt’s Maul«, antwortete Tamar und winkte weiter. Ein Mobiltelefon klingelte. Der Zug verschwand in der Kurve, die ostwärts am Michelsberg vorbeiführt.
    Tamar trat zwei oder drei Schritte zurück, in den Schutz einer Plakatwand. Noch im Gehen holte sie das Handy aus der Tasche ihres Jacketts. Während sie zuhörte, verzog sie ein wenig das Gesicht. Kuttler betrachtete die Plakatwand, sie zeigte eine frei im Raum stehende Skulptur aus Metall, oder genauer: aus Schrott, und kündigte eine Ausstellung freier oberschwäbischer Künstler an.
    »Wir kümmern uns drum«, sagte Tamar schließlich, stellte das Handy ab und wandte sich an Kuttler. »Eine Leichensache, oben auf dem Michelsberg. Du oder ich?«
    »Wie üblich«, antwortete Kuttler und hob die Hand. Eigentlich ist das keine gute Idee, dachte er dann. Bisher hatte er bei Schere-Stein-Papier noch jedes Mal verloren. Besonders gern bei Leichensachen. Im Herbst zum Beispiel, wenn die Pilzesammler finden, was sie nicht gesucht haben. Das

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