Uhrwerk Venedig (German Edition)
dämmerte ein schrecklicher Verdacht in Jacopo heran. Konnte es sein ...? »Was ist in dieser Truhe, die meine Maschinen für dich öffnen sollen?«
»Es ist besser, wenn du das nicht weißt.«
»Du hast mir Gift gegeben. Entscheide du nicht darüber, was gut für mich ist.«
Bei diesen Worten zuckte Bartolomeo zusammen. »Wie du willst«, stieß er wütend hervor. »In der Truhe sind Pläne für jegliche Art von Kriegsgerät. Die Heere der Liga werden dem Venedigs nicht nur zahlenmäßig überlegen, sondern auch technologisch ebenbürtig sein.«
Jacopo schnappte nach Luft. »Das kannst du nicht ... Bartolomeo, vertrau dich dem Dogen an, bitte ihn um Schutz! Du kannst nicht zulassen, dass Venedig an die Liga fällt. Es ist kein Zufall, dass die größten technischen Wunderwerke aus unserer Stadt kommen. Die Dogen fördern seit Jahrzehnten die Wissenschaften und Künste. Denkst du, der Papst würde diese Tradition fortführen? Oder der deutsche Kaiser? Der französische König?«
»Es geht um mein Leben, Jacopo! Ich werde kein solches Risiko eingehen. Bisher hat mir das Haus des Dogen keinen Schutz geboten. Was soll er noch tun? Wachen neben meinem Bett postieren? Ich müsste in ständiger Angst leben.«
Jacopo presste die Lippen aufeinander, verbiss sich die Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Es war ihm immer bewusst gewesen, dass Bartolomeo hohe Ansprüche hatte, doch er hätte es nicht für möglich gehalten, dass er diese über das Wohl einer gesamten Stadt stellen würde.
»Ich werde dir nicht helfen.«
Für einen Moment starrte Bartolomeo ihn einfach nur ungläubig an. »Ich habe es ernst gemeint. Es war Gift in deinem Wein. Du wirst sterben, wenn du mir nicht hilfst.«
Jacopo schluckte. Er lauschte in sich hinein, versuchte Anzeichen dafür zu finden, dass sein Freund die Wahrheit sprach. Fühlte er sich nicht bereits ein wenig schwummrig? Entschlossen schüttelte er den Kopf. »Du würdest mich nicht tatsächlich sterben lassen. Komm zur Vernunft, Bartolomeo.«
Da war er wieder, dieser harte, kalte Gesichtsausdruck. »Willst du es darauf ankommen lassen?«
»Wenn es sein muss.«
Ewigkeiten schienen zu vergehen, in denen sie einander schweigend gegenübersaßen, jeder darauf wartend, dass der andere nachgab. Bang fragte sich Jacopo, wie es beginnen würde. Was für ein Gift hatte Bartolomeo gewählt? Noch hoffte er, dass sein Freund gelogen hatte und es überhaupt kein Gift gab.
Bartolomeo ging unruhig im Raum auf und ab. Vielleicht fragte er sich, wie lange die Ratssitzung wohl noch dauern würde, wieviel Zeit ihm blieb. Irgendwie musste es doch möglich sein, ihn zur Vernunft zu bringen.
»Was sollte deinen Erpresser davon abhalten, dich zu töten, sobald er hat, was er will? Hast du darüber schon einmal nachgedacht?«
Bartolomeo blieb stehen und wandte sich Jacopo zu. »Ich übergebe ihm die Pläne nicht persönlich, es gibt einen Ort, an dem ich sie hinterlassen muss. Bis er überprüft hat, ob ich ihm gebracht habe, was er verlangt, bin ich längst so weit fort, dass sich eine Verfolgung nicht mehr lohnt. Er wird sehen, dass ich nicht vorhabe, ihm in die Quere zu kommen, und mich in Ruhe lassen.«
Jacopo seufzte. Mit dem Ärmel wischte er sich über die Stirn. Obwohl es alles andere als warm war, hatten sich Schweißperlen darauf gebildet. Sein Magen verkrampfte sich. War ihm das Gift in seinen Adern zuvor wie eine weit entfernte Bedrohung erschienen, so rückte sie nun immer näher. Eilig schob er alle Gedanken daran beiseite. Er durfte nicht nachgeben.
»Das Schicksal geht seltsame Wege«, murmelte er, einfach um irgendetwas zu sagen. »Ich habe ein Heilmittel geschaffen, und nun muss ich dafür sterben.«
»Du musst nicht sterben, Jacopo. Hilf mir!« Bartolomeos Stimme klang flehend, er faltete bittend die Hände.
»Nein. Dir mag es nichts ausmachen, Venedig zu verlassen. Aber ich möchte nicht einfach nur leben, ich möchte hier leben. Diese Stadt ist meine Heimat.«
Als sein Freund abfällig schnaubte, runzelte Jacopo die Stirn. Wieso war ihm dieser egoistische, überhebliche Charakterzug nie zuvor aufgefallen? Hatte er sich so sehr von schönen Worten und falscher Freundlichkeit täuschen lassen? Hatte es überhaupt einen Sinn, zu versuchen, Bartolomeo zur Vernunft zu bringen? Er schien vor lauter Furcht um sein eigenes Leben jeglichen Verstand verloren zu haben.
»Dies bringt uns nirgendwohin. Ich ziehe es vor, nicht in so schlechter Gesellschaft wie der deinen zu sterben,
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