Uhrwerk Venedig (German Edition)
daher entschuldige mich bitte.« Jacopo stützte die Hände auf die Tischplatte und stemmte sich in die Höhe. Beinahe gaben seine Beine unter ihm nach. Er fühlte sich zittrig und schwach. Wenn es ihm nun bereits so schlecht ging, wie hatte Bartolomeo sich dann die Durchführung der gesamten Unternehmung vorgestellt? Er hatte nicht das Gefühl, noch dazu in der Lage zu sein, längere Strecken zu laufen.
Jacopo machte einen vorsichtigen Schritt, ließ dann die Halt gebende Tischplatte los, versuchte einen weiteren. Schwindel erfasste ihn. Er stolperte. Unvermittelt war Bartolomeo an seiner Seite. Er stützte ihn und half ihm zurück zu seinem Stuhl. Zeichnete sich da etwa Besorgnis auf den Zügen seines Freundes ab?
»Das Gift sollte nicht so schnell wirken. Du hast doch heute schon etwas gegessen, Jacopo?«
Hatte er? Nein, er hatte in den letzten Tagen kaum einen Bissen hinunterbekommen vor lauter Sorge, er könnte den Dogen getötet haben. Jacopo atmete tief durch, schüttelte den Kopf. Selbst diese Bewegung kostete ihn Mühe.
Bartolomeo fluchte leise. »Das habe ich nicht wissen können. Es ist nach Mittag! Jeder vernünftige Mensch hat um diese Zeit bereits mindestens eine Mahlzeit hinter sich.« Hektisch suchte er in seinen Taschen, förderte schließlich ein Fläschchen zutage. »Hier, trink das.«
Misstrauisch musterte Jacopo das kleine Gefäß, wobei dunkle Flecken in seinem Sichtfeld tanzten. Er zögerte nur kurz, doch offensichtlich bereits zu lang für Bartolomeos Geschmack.
»Um Himmels Willen, nun nimm schon! Es nützt mir nichts, wenn du vollkommen sinnlos stirbst. Beeil dich, das Gift wirkt auf leeren Magen sehr viel schneller als auf vollen.«
Jacopos Hand zitterte stark, als er sie nach dem Fläschchen ausstreckte. Bartolomeo musste es für ihn entkorken. Dann rann das bittere Gegengift seine Kehle hinab.
Mit düsterer Miene ließ sich der Arzt wieder ihm gegenüber nieder. Er starrte ins Leere, während Jacopo sich einfach nur darauf konzentrierte zu atmen. Ein und aus. Es dauerte lange, bis seine Hände nicht mehr zitterten, bis keine Schatten mehr durch sein Blickfeld huschten.
Irgendwann erhob sich Jacopo vorsichtig. Noch immer schwindelte ihn leicht, doch er konnte stehen. Versuchsweise tat er einen Schritt, dann einen weiteren. Bartolomeo sah nicht auf, als er zum Schreibtisch hinüberging, um das gläserne Tintenfass an sich zu nehmen. Direkt daneben, halb unter Dokumenten begraben, lagen zwei der mechanischen Termiten, die Beine verbogen, die Scheren standen im falschen Winkel ab. Vorsichtig klaubte Jacopo die verwundeten Tierchen von der Tischplatte, steckte sie zu ihren Artgenossen.
Als er sich umwandte, saß sein ehemaliger Freund noch immer zusammengesunken auf seinem Stuhl, ein traurig anzusehendes Häufchen Elend. Mitleid regte sich in Jacopo. In seiner Hand wog das Tintenfass schwer. Mit einem Mal wurde ihm klar, wie einfach es wäre, Bartolomeo zu helfen.
Doch hatte er es verdient? Sollte er doch den Dogen um Schutz bitten. Das allerdings würde bedeuten, dass Jacopo seinen ehemaligen Freund nicht verraten durfte, dass jemand Leibarzt des Dogen blieb, dessen Loyalität mehr als zweifelhaft war. Verriet er Bartolomeo dagegen, konnte er ihm ebensogut gleich ein Messer in die Brust stoßen.
Jacopo seufzt. »Falls du leben willst, pack zusammen, was du brauchst, und komm mit mir.« Seine Stimme klang heiser, kaum mehr als ein Krächzen.
Der Arzt sah auf, Verwirrung und Missmut spiegelten sich auf seiner Miene. »Ich sagte doch bereits, dass es mir nichts nützen wird, die Stadt zu verlassen.«
»Nicht, solange der Mann noch lebt, der dich erpresst.«
Bartolomeos Zweifel zeichneten sich deutlich auf seinen Zügen ab. Doch schließlich erhob er sich, ging zu einer Truhe hinüber, die am Fußende deines Bettes stand. Er holte zwei große Geldbeutel daraus hervor. Was darin klimperte, klang nach viel Geld, selbst für den Leibarzt des Dogen. Doch Jacopo war viel zu erschöpft, um zu fragen, was es damit auf sich hatte. Sollte Bartolomeo tun, was er für richtig hielt, er für seinen Teil wollte nur nicht die Schuld am Tod eines ehemaligen Freundes tragen.
Die beiden Geldbeutel verschwanden in der Tasche, von der Jacopo wusste, dass Bartolomeo darin alles aufbewahrte, was er brauchte, um seine Kunst auszuüben. Dann machte der Arzt eine auffordernde Geste in Richtung Tür. Jacopos Nacken kribbelte, als er voranging, obwohl er wusste, dass derart großes Misstrauen alles andere
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