Uhrwerk Venedig (German Edition)
daran dachte, dass man nur eine Feder entfernen musste, damit die Termiten sich durch alles fraßen. Nicht nur durch harte Materialien, sondern auch durch Stoff und weiches Fleisch.
***
Bartolomeo betrachtete die kleine Maschine auf seiner Handfläche. Inzwischen konnte er es den Auftraggebern des gesichtslosen Mannes nicht mehr verdenken, dass sie nicht an den Plänen interessiert gewesen waren. Wie war es Jacopo gelungen, den winzigen Schlüssel mit der Pinzette zu drehen? Die ersten zwei Versuche, es seinem Freund nachzutun, lagen bereits in Form verbogener, metallener Insekten vor ihm auf dem Schreibtisch. Drei blieben ihm noch. Er hoffte, dass das genügte. Doch wahrscheinlich würde er auch diese drei Maschinen eher zerstören als sie zum Laufen zu bringen.
Vielleicht sollte er sich einfach damit abfinden, dass er sterben würde. Die winzigen Maschinen waren seine letzte Hoffnung gewesen, an das heranzukommen, was der Fremde von ihm verlangte. Nun waren seine Möglichkeiten erschöpft.
Ein Klopfen an der Tür ließ Bartolomeo zusammenzucken. Eilig stopfte er das metallene Insekt in das gläserne Tintenfass zurück, schob ein paar Dokumente darüber.
Ein Diener trat ein, deutete eine Verbeugung an. »Jacopo Giovane ist hier und will euch oder den Dogen sprechen.«
»Jacopo? Hat er gesagt ...?« Mitten im Satz hielt Bartolomeo inne. Spielte es eine Rolle, weshalb Jacopo gekommen war? Bedeutung hatte nur der Plan, der soeben in seinem Geist Gestalt annahm.
***
Wunderschöne Bilder schmückten die große Halle des Palazzos Ducale, wetteiferten mit der Pracht der Säulen und den prunkvoll verzierten Treppengeländern. Doch Jacopo hatte kaum einen Blick für all das übrig, während er wartete. Je länger er darüber nachdachte, desto beunruhigender erschien ihm die Tatsache, dass die Termiten verschwunden waren. Bartolomeos Warnung vermischte sich in Jacopos Vorstellung mit all den Dingen, die er über die Liga von Cambrai gehört hatte. Hinzu kamen die Feinde innerhalb der Kirche, die der Doge zu fürchten schien. Jacopo kannte die Predigten der Geistlichen, die in jedem Uhrwerk den Teufel sahen. Wollte jemand diese Gruppierung gegen Leonardo Loredan aufbringen und hatte das gläserne Tintenfass gestohlen, um zu beweisen, dass der Doge tatsächlich mit Hilfe von Maschinen geheilt worden war? Doch wie hatte er selbst davon erfahren? Jacopo trat unruhig von einem Fuß auf den anderen.
»Mein Freund!« Bartolomeo kam die breite Treppe auf der anderen Seite der Halle heruntergeeilt und schloss ihn in seine Arme. »Was führt dich her?«
»Ich bin mir inzwischen fast sicher, dass ein Feind des Dogen sie gestohlen haben muss, Bartolomeo«, sprudelte es aus Jacopo heraus, noch während er sich aus der Umarmung löste. Er merkte kaum, dass er seine Geschichte nicht am Anfang begann. Es bedurfte einiger beruhigender Worte seines Freundes, bevor er der Reihe nach berichten konnte, was geschehen war.
Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn lauschte Bartolomeo seinen Worten. »Du bist sicher, dass du sie nicht selbst an einen sicheren Platz geräumt hast? Ganz unten in eine Truhe vielleicht?«
»Ich habe überall gesucht! Meine letzte Hoffnung war, dass du sie vielleicht genommen und nur versäumt hast, es zu erwähnen.«
Bartolomeo blinzelte überrascht, dann stieß er ein kurzes Lachen aus. »Warum sollte ich so etwas denn tun? Dem Dogen geht es doch wieder gut. Er ist im Moment in einer Ratssitzung im Palast.« Er legte Jacopo einen Arm um die Schultern und schob ihn sanft die Treppe hinauf. »Du solltest seine Rückkehr abwarten, um auch ihm von dem Diebstahl zu berichten. Wie wäre es mit einem Becher Wein zur Beruhigung der Nerven?«
Ein abwesendes Nicken, und wenig später saßen sie zusammen in den Gemächern, die der Arzt im Palazzo Ducale bewohnte. Es war ein großer Raum mit einem breiten Bett, einem Schreibpult und dem Tisch, an dem sie saßen. Jacopo stützte sich schwer auf die hölzerne Platte, wälzte immer und immer wieder die Frage, wer die mechanischen Termiten gestohlen haben könnte. Gedankenverloren fuhr er dabei mit dem Finger den Verlauf einer Kerbe nach, die fast so aussah, als hätte jemand eine Klinge ins Holz gestoßen. Dabei hatte er Bartolomeo immer für einen Menschen gehalten, der sorgsam mit seinem Besitz umging.
Sein Freund reichte ihm einen Becher und Jacopo trank einen großen Schluck. Guter Wein, wie zu erwarten im Haus des Dogen, doch er schmeckte ihn kaum. Für eine Weile
Weitere Kostenlose Bücher