Uhtred 6 - Der Sterbende König
dass sie keine Ruhe geben würden. Sie waren Dänen, was bedeutete, dass sie Böses im Schilde führten.
Also nahm ich am nächsten Tag bei tauendem Schnee Finan, Osferth und dreißig Männer mit Richtung Norden zu Aldermann Beornnoth. Ich mochte Beornnoth. Er war alt, grau, lahm und hitzköpfig. Seine Besitzungen lagen genau an der Grenze des sächsischen Merciens, und alles nördlich von ihm gehörte den Dänen, weshalb er in den Jahren zuvor gezwungen gewesen war, seine Felder und Dörfer gegen die Angriffe von Sigurd Thorrsons Männern zu verteidigen. »Gott der Allmächtige«, begrüßte er mich, »sagt nur nicht, dass Ihr auf eine Weihnachtsfeier in meinem Palas hofft.«
»Ich ziehe gutes Essen vor«, sagte ich.
»Und ich ziehe gutaussehende Gäste vor«, gab er zurück. Dann rief er nach seinen Dienern, damit sie unsere Pferde wegbrachten. Er wohnte etwas nordöstlich von Tofeceaster in einem großen Palas, um den sich Scheunen und Stallungen verteilten, die von einer starken Palisade geschützt wurden. Der Platz zwischen dem Palas und der größten Scheune war blutgetränkt vom Schlachten. Männer schnitten den verängstigten Tieren die Fersensehnen durch, damit sie auf dem Boden zusammenbrachen und nicht flüchten konnten, bevor sie von anderen Männern mit einem Axthieb auf die Stirn getötet wurden. Die zuckenden Tierkörper wurden zur Seite des Platzes geschafft. Dort zogen Frauen und Kinder den toten Tieren mit langen Messern die Haut ab und zerteilten das Fleisch. Hunde saßen mit aufmerksamen Blick dabei oder kämpften um die Schlachtabfälle, die ihnen hingeworfen wurden. Es stank nach Blut und Exkrementen. »Es war ein gutes Jahr«, erklärte mir Beornnoth, »zweimal so viele Tiere wie letztes Jahr. Die Dänen haben mich in Ruhe gelassen.«
»Keine Viehdiebstähle?«
»Nur ein- oder zweimal«, sagte er schulterzuckend. Seit unserer letzten Begegnung hatte er den Gebrauch seiner Beine verloren und musste sich überallhin auf einem Stuhl tragen lassen. »Das ist das Alter«, sagte er. »Ich sterbe von unten nach oben. Vermutlich wollt Ihr ein Ale, oder?«
Im Palas tauschten wir Neuigkeiten aus. Er brüllte vor Lachen, als ich ihm von dem Anschlag auf mein Leben erzählte. »Setzt Ihr neuerdings Schafe ein, um Euch zu verteidigen?« Dann sah er seinen Sohn in den Palas kommen und rief ihn zu sich. »Komm her und hör dir an, wie der Herr Uhtred die Schafsschlacht gewonnen hat!«
Der Sohn hieß Beortsig und war, ebenso wie sein Vater, breitschultrig und bärtig. Er lachte über die Geschichte, doch sein Lachen wirkte gezwungen. »Ihr sagt, die Gauner stammten aus Tofeceaster?«, fragte er nach.
»Das hat der Bastard jedenfalls behauptet.«
»Das ist unser Land«, sagte Beortsig.
»Geächtete«, sagte Beornnoth abweisend.
»Und Narren«, fügte Beortsig hinzu.
»Ein magerer, kahler Einäugiger hat sie dafür angeworben«, sagte ich. »Kennt Ihr irgendwen, der so aussieht?«
»Klingt nach unserem Priester«, sagte Beornnoth belustigt. Beortsig sagte nichts. »Also, was bringt Euch her?«, fragte Beornnoth, »davon abgesehen, dass Ihr meine Alefässer leersaufen wollt?«
Ich berichtete ihm von Alfreds Anliegen, dass ich einen Bündnisvertrag mit Eohric besiegeln sollte, und dass Eohrics Abgesandte den Wunsch ihres Königs mit seiner Angst vor Sigurd und Cnut erklärt hatten. Beornnoth sah mich zweifelnd an. »Sigurd und Cnut haben kein Interesse an Ostanglien«, sagte er.
»Eohric glaubt es aber.«
»Der Mann ist ein Holzkopf«, sagte Beornnoth, »und das war er schon immer. Sigurd und Cnut wollen Mercien und Wessex.«
»Und wenn sie diese Königreiche besitzen, Herr«, sagte Osferth zurückhaltend zu unserem Gastgeber, »dann wollen sie auch Ostanglien.«
»Das stimmt, nehme ich an«, räumte Beornnoth ein.
»Warum also nicht Ostanglien zuerst erobern«, mutmaßte Osferth, »und seine Männer der eigenen Streitmacht angliedern?«
»Bis zu Alfreds Tod wird überhaupt nichts geschehen«, sagte Beornnoth mit Überzeugung, »und ich bete, dass er noch lebt.«
»Amen«, sagte Osferth.
»Ihr wollt also Sigurds Frieden stören?«, fragte mich Beornnoth.
»Ich will wissen, was er treibt«, sagte ich.
»Er bereitet sich aufs Julfest vor«, sagte Beortsig gleichgültig.
»Und das heißt, dass er den gesamten nächsten Monat betrunken ist«, ergänzte sein Vater.
»Er hat uns das ganze Jahr in Frieden gelassen«, sagte der Sohn.
»Und ich will nicht, dass Ihr ins Wespennest stecht«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher