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Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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die mit Æthelflæd.
    Irgendwann in dieser feuchten Dunkelheit wurde der Thorstag zu Freyas Tag. Freya war die Frau Wotans, die Göttin der Liebe, und während ihres gesamten Tages regnete es weiter. Nachmittags erhob sich Wind, ein starker Wind, der an den Strohdächern von Wintanceaster zerrte und den Regen mit tückischer Boshafrigkeit vor sich hertrieb, und in dieser Nacht segnete König Alfred, der achtundzwanzig Jahre in Wessex regiert hatte und in seinem fünfzigsten Lebensjahr stand, das Zeitliche.
    Am nächsten Morgen regnete es nicht mehr, und der Wind hatte sich beinahe vollständig gelegt. Stille lag über Wintanceaster, bis auf das Grunzen der Schweine, die in den morastigen Straßen wühlten, das Krähen der Hähne, das Jaulen und Bellen der Hunde, und das Stampfen der Wächterstiefel auf den wassergetränkten Bohlen der Wallanlagen. Das Volk schien wie betäubt. Am Vormittag begann eine Glocke zu läuten, nur eine einzelne Glocke, die langsam ein ums andere Mal angeschlagen wurde, und der Klang verhallte weit unten im Flusstal, wo die Auwiesen überflutet waren, und dann ertönte der nächste Glockenschlag mit unerbittlicher Klarheit und Schärfe. Der König ist tot, lang lebe der König.
    Æthelflæd wollte in der Nonnenkapelle beten, und ich ließ sie in Sankt Hedda und ging durch die stillen Straßen zum Palast, wo ich mein Schwert am Torhaus abgab und Steapa allein im äußeren Hof sitzen sah. Sein grimmiges Gesicht, über das die Haut wie über eine Maske gespannt schien und das so manchem Feind Alfreds Furcht und Schrecken eingeflößt hatte, war nass vor Tränen. Ich setzte mich neben ihn auf die Bank, sagte aber nichts. Eine Frau eilte mit einem Stapel gefalteter Leinentücher vorbei. Der König stirbt, und doch müssen weiter Laken gewaschen und Räume ausgefegt werden, die Asche muss hinausgebracht, Holz eingelagert und das Korn muss gemahlen werden. Etwa zwanzig gesattelte Pferde standen am anderen Ende des Hofes bereit. Ich nahm an, sie waren für die Boten bestimmt, die mit der Nachricht vom Tode des Königs in jeden Winkel seines Reiches geschickt wurden, doch stattdessen erschien aus einem Durchgang ein Trupp Männer mit Rüstungen und Helmen. »Deine Männer?«, fragte ich Steapa.
    Er warf einen verdrießlichen Blick zu ihnen hinüber. »Nicht meine.«
    Es waren Æthelwolds Männer. Æthelwold selbst erschien als Letzter, und er war, wie seine Gefolgsleute, kampfbereit mit Helm und Rüstung angetan. Drei Diener hatten die Schwerter des Trupps aus dem Torhaus gebracht, und die Männer drängten sich um den Haufen, um ihre eigenen Waffen herauszusuchen. Dann schnallten sie sich die Schwertgürtel um. Auch Æthelwold nahm sein Langschwert, ließ einen Diener den Schwertgürtel festschnallen und sich dann auf sein Pferd helfen, einen großen schwarzen Hengst. Da sah er mich. Er trieb sein Pferd im Galopp auf mich zu und zog die Klinge aus der Scheide. Ich rührte mich nicht, und er hielt das Pferd ein paar Schritte vor mir an. Es rutschte mit einem Huf über die Pflastersteine, sodass Funken sprühten. »Ein trauriger Tag, Uhtred«, sagte Æthelwold. Die nackte Schwertklinge ließ er in einer Hand an der Seite herabhängen, die Spitze auf den Boden gerichtet. Er wollte es benutzen und wagte es doch nicht. Er war ehrgeizig, und er war schwach.
    Ich sah zu seinem länglichen Gesicht auf, das früher so anziehend und nun von Trunk, Zorn und Enttäuschung verwüstet war. An seinen Schläfen zeigte sich ein grauer Schimmer. »Ein trauriger Tag, mein Prinz«, sagte ich.
    Er schätzte mich ab, schätzte die Reichweite seines Schwertes ab, schätzte ab, ob er noch durchs Tor entkommen konnte, wenn er den Hieb ausführen würde. Er warf einen kurzen Blick über den Hof, um zu sehen, wie viele Männer der königlichen Leibwache in Sicht waren. Es waren nur zwei. Er hätte mich niedermachen, seinen Gefolgsleuten die beiden Leibwächter überlassen und verschwinden können, alles in wenigen Augenblicken, doch noch immer zögerte er. Einer seiner Gefährten ritt heran. Der Mann trug einen Helm mit geschlossenen Wangenstücken, sodass ich von seinem Gesicht nur die Augen sah. Ein Schild hing über seinem Rücken, und darauf war ein Bullenschädel mit blutigen Hörnern gemalt. Sein Pferd war unruhig, und er schlug ihm heftig auf den Hals. Ich sah die Narben auf den Flanken des Tieres, wo er ihm die Sporen tief in die Seiten gebohrt hatte. Er beugte sich dicht zu Æthelwold und murmelte ihm etwas zu, wurde

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