Ulysses Moore – Die Insel der Masken
... was macht ihr?«
»Wir wollten keine Homepage und auch keine Luxushotels. Das war unsere erste Regel: Kilmore Cove zu schützen. Dafür hätten wir sogar darauf verzichtet, durch die Zeit zu reisen.«
»Ja, aber leider erschien ich dann auf der Bildfläche. Und ich traf ausgerechnet auf das schwächste Glied in der Kette«, sagte Oblivia, während sie wieder auf Peter zuging. Der Duft ihres Parfüms hüllte ihn ein. »Und das schwächste Glied hat etwas ausgeplaudert.«
»Ich habe nichts ausgeplaudert. Ich dachte, du wärst wie ich. Ich habe dich geliebt!«
»Liebling, auch ich habe dich geliebt. Aber anstatt mir alles zu sagen, bist du eines schönen Tages geflohen und hast mich alleine zurückgelassen.«
»Du hast mich nie geliebt, Oblivia«, schluchzte Peter. »Du wolltest nur die Kontrolle über die Türen.«
»Die will ich immer noch. Weißt du, das könnte dein letztes Geschenk an mich sein, Peter. Um mich ein für alle Mal loszuwerden. Komm schon, Liebling, lass dich nicht so bitten«, säuselte Oblivia und fuhr Peter mit ihren lila lackierten Fingernägeln durchs Haar.
Von Oblivias Parfüm wie betäubt, schwieg der Uhrmacher eine Zeit lang. Dann ging er zu einer Kommode mit vielen Schubladen. Aus einer holte er ein altes Fotoalbum und eine seltsame Kamera heraus.
Er legte beides auf den Tisch und sagte: »Ehrlich gesagt, fehlt mir Kilmore Cove sehr und auch die Leute, die ich dort kannte, vermisse ich. In all diesen Jahren habe ich ständig an sie gedacht. Fast täglich habe ich mir diese alten Fotos angeschaut.«
Oblivia schlug achtlos das Album auf.
»Einige Monate nach meiner Ankunft in Venedig habe ich versucht zurückzukehren«, fuhr Peter fort. »Ich bin in die Calle dell’Amor degli Amici gegangen, um nachzusehen, ob die Tür noch offen ist. Aber sie war verschlossen. Ich habe gedacht, dass vielleicht jemand an meiner Stelle durch sie hindurchgegangen und so nach Kilmore Cove gelangt ist. Obwohl diese Tür, wie du weißt, gut versteckt liegt.«
»Das kann man wohl sagen. Wer ist das hier, auf dem Foto?«
»Pater Phoenix«, antwortete Peter nach einem Blick auf das Bild.
Oblivia blätterte um. »Und der, der hier beim Leuchtturm neben dir steht?«
»Das ist Ulysses.«
»Das ist Ulysses Moore?«, rief Oblivia verwundert und betrachtete das Foto genauer. »Donnerwetter. Wie alt ist das Foto denn?«
»Mindestens zwanzig Jahre«, antwortete Peter.
Oblivia schob das Album von sich fort und nahm den Faden wieder auf. »Also, Liebling: Was hast du getan, als du feststellen musstest, dass die Tür verschlossen war?«
»Ich habe mir gesagt, dass die anderen ihn gefunden und die Tür verschlossen haben.«
»Wen gefunden?«, hakte Oblivia nach.
»Den Ersten Schlüssel. Den, der alle Türen öffnet und verschließt.« Peter rückte sich die Brille auf der Nase zurecht und ging um den Tisch herum. »Anfangs dachten wir, es sei nur ein Märchen. Dann habe ich alle Schlösser untersucht, eines nach dem anderen. Und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass es einen Schlüssel geben könnte, der in alle Schlösser passt, so etwas wie einen Universalschlüssel. In einem alten Buch aus seiner Bibliothek fand Ulysses einen Hinweis darauf, dass es solch einen Universalschlüssel geben könnte – im
Handbuch der Entfesselungskünstler. Schlüssel, Schlösser, Geheimgänge und Fluchtstrategien
. Das ist eine Aufsatzsammlung. Einer der Beiträge ist von Ulysses Urgroßvater Raymond verfasst worden. Er hatte seinen Aufsatz den Türen von Kilmore Cove gewidmet und ihn mit einer Skizze des Ersten Schlüssels versehen.«
Vor lauter Aufregung schrie Oblivia auf. »Fantastisch. Das ist genau das, was ich brauche: ein Schlüssel, mit dem man alle Türen von Kilmore Cove aufbekommt.«
»Nicht nur die von Kilmore Cove«, erklärte Peter seufzend, »sondern auch alle anderen Türen zur Zeit. Der Erste Schlüssel ist der Hauptschlüssel der Erbauer der Türen ...«
»Die Erbauer der Türen ... Wer sind sie?«
»Das wissen wir nicht«, gab Peter zu. »Wir konnten es nie herausfinden. Aber als wir beschlossen mit den Zeitreisen aufzuhören und uns einen Plan ausdachten, um Kilmore Cove vom Angesicht der Erde verschwinden zu lassen, stellten wir fest, dass wir dazu den Ersten Schlüssel brauchten. Wir suchten überall danach, denn wenn es ihn wirklich gab, hätten wir mit ihm nicht nur alle Türen öffnen, sondern auch verschließen können.«
»Was meinst du mit ›verschließen‹?«
»Wenn du in
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